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Egal, ob extrem heiß oder kalt Super-Legierung hält fast alles aus

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Knickband in der kristallinen Struktur einer Legierung unter dem Elektronenmikroskop.

Knickband in der kristallinen Struktur einer Legierung unter dem Elektronenmikroskop.

(Foto: Berkeley Lab)

Forscher entdecken eine außergewöhnlich robuste Metalllegierung. Weder bei extrem hohen noch bei extrem niedrigen Temperaturen verformt sie sich dauerhaft, reißt oder bricht. Ihre Studie zeigt, dass die Legierung Grundlage für künftige, besonders effiziente Triebwerke sein kann.

Ein US-Wissenschaftler-Team hat herausgefunden, dass eine Metalllegierung aus Niob, Tantal, Titan und Hafnium Eigenschaften hat, die bisher für nahezu unmöglich gehalten wurden. Denn das Material zeigt sowohl bei extrem hohen als auch extrem niedrigen Temperaturen eine für die Forscher geradezu "schockierende" Festigkeit und Zähigkeit. Das heißt, die Legierung verformt sich nicht dauerhaft und bricht oder reißt auch nicht bei großer Hitze oder Kälte. In ihrer kürzlich bei "Science" veröffentlichten Studie erklären die Wissenschaftler, wie das möglich ist und welche Möglichkeiten die Entdeckung eröffnet.

"Die Effizienz der Umwandlung von Wärme in Strom oder Schub wird durch die Temperatur bestimmt, bei der der Brennstoff verbrannt wird - je heißer, desto besser. Die Betriebstemperatur wird jedoch durch die strukturellen Materialien begrenzt, die ihr standhalten müssen", sagt Erstautor David Cook. "Wir können die Materialien, die wir derzeit für hohe Temperaturen verwenden, nicht mehr weiter optimieren, und es besteht ein großer Bedarf an neuen metallischen Werkstoffen. Und genau dafür ist diese Legierung vielversprechend."

"Schockierend" anders

Gewöhnlich bestehen Legierungen aus einem Hauptmetall, das mit geringen Mengen anderer Elemente gemischt wird. Die entdeckte Legierung gehört dagegen zu einer neuen Klasse, die durch das Mischen nahezu gleicher Mengen metallischer Elemente bei sehr hohen Schmelztemperaturen hergestellt werden. Man nennt sie refraktäre metallische Einphasen-Legierungen (RMEA) und refraktäre Hochentropie-Legierungen (RHEA).

Studienleiter Robert Ritchie untersucht mit seinem Team diese Legierungen seit mehreren Jahren wegen ihres Potenzials für Hochtemperaturanwendungen. Man habe zuvor festgestellt, dass diese Materialien zwar sehr fest seien, aber im Allgemeinen eine extrem niedrige Bruchzähigkeit (Risswiderstand) aufwiesen. "Deshalb waren wir schockiert, als diese Legierung eine außergewöhnlich hohe Zähigkeit aufwies", sagt Ritchies Mitarbeiter Punit Kumar.

Zäher als der beste Stahl

Normalerweise gehörten sie zu den sprödesten Metallen überhaupt, erklärt David Cook. Die besten kryogenen (durch extreme Kälte gehärtete) Stähle, die speziell für die Bruchfestigkeit entwickelt wurden, seien etwa 20 Mal zäher als diese Materialien. Die Legierung aus Niob, Tantal, Titan und Hafnium habe jedoch sogar die kryogenen Stähle übertroffen und sei über 25-mal zäher als typische RMEAs bei Raumtemperatur.

Für die Studie maßen die Wissenschaftler die Festigkeit und Zähigkeit bei insgesamt fünf Temperaturen: minus 196 Grad Celsius (die Temperatur von flüssigem Stickstoff), 25 Grad (Raumtemperatur), 800 Grad, 950 Grad und 1200 Grad. Die letzte Temperatur entspricht etwa einem Fünftel der Oberflächentemperatur der Sonne.

Das Team stellte fest, dass die Legierung bei Kälte die höchste Festigkeit aufwies und mit steigender Temperatur etwas schwächer wurde, aber dennoch über den gesamten Bereich hinweg beeindruckende Werte aufwies. Der Risswiderstand war bei allen Temperaturen hoch.

Knickbänder in Kristallstruktur

Eine Erklärung dafür liegt in der kristallinen Struktur von Legierungen. Die elektronenmikroskopischen Daten zeigten, dass die ungewöhnliche Zähigkeit auf einen unerwarteten Nebeneffekt eines seltenen Defekts, den sogenannten Knickbändern, zurückzuführen ist. Sie bilden sich in einem Kristall, wenn eine einwirkende Kraft bewirkt, dass Streifen des Kristalls in sich zusammenfallen und sich abrupt biegen. Das führt dazu, dass das Material weicher und damit leichter verformbar wird.

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Das Team wusste aus früheren Forschungsarbeiten, dass sich in RMEAs leicht Knickbänder bilden, nahm aber an, dass der Erweichungseffekt das Material weniger widerstandsfähig machen würde, da sich ein Riss leichter durch das Gitter ausbreiten könnte. Tatsächlich ist dies jedoch nicht der Fall. Man zeige zum ersten Mal, dass Knickbänder bei einem scharfen Riss zwischen Atomen dessen Ausbreitung stoppen, indem sie den Schaden von ihm weg verteilten, erklärt Cook. Das führe zu einer außerordentlich hohen Bruchzähigkeit.

Es sei noch viel mehr Grundlagenforschung nötig und die Legierung müsse noch viele technische Tests durchlaufen, "bevor daraus etwas wie eine Turbine für ein Düsenflugzeug oder eine Raketendüse für SpaceX hergestellt werden kann", sagt Ritchie. "Diese Studie zeigt jedoch, dass das Metall das Potenzial hat, die Triebwerke der Zukunft zu bauen."

Quelle: ntv.de, kwe

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