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SC Magdeburg vom anderen Stern Mit dem "besten Trainer der Welt" zur Supermacht

Bennet Wiegert lebt den Handball.

Bennet Wiegert lebt den Handball.

(Foto: picture alliance/dpa)

Im Welt-Handball sind alle Augen nach Sachsen-Anhalt gerichtet. Der SC Magdeburg reift zur Supermacht, greift nach allen Pokalen und Titeln. Mit einem Trainer, der den Klub nicht mehr verkörpern könnte und gleichzeitig Begehrlichkeiten weckt: Bennet Wiegert.

Der Bart ist längst wieder lang. Bennet Wiegert trägt ihn mit Stolz. Denn der Bart ist ein Zeichen des Erfolgs, der SC Magdeburg verliert einfach nicht. Seit zwölf Spielen dauert die Erfolgsserie nun schon wieder an. Als der Handball-Trainer sich Mitte Februar rasierte, war das ein Riesenspektakel. Jeder wollte das erste Foto, alle waren interessiert, ob Wiegert seine Ankündigung wirklich durchziehen würde. Denn er tat es aus Aberglauben, der TSV Hannover-Burgdorf war der erste Klub, der Magdeburg nach 30 wettbewerbsübergreifenden Spielen bezwungen hatte. Der "Waldschrat"-Bart war dann tatsächlich wieder gebändigt.

Doch seitdem: nur Siege. Der Bart wächst. Und so soll es weitergehen. Auch wenn Wiegert an der Erfolgsstory eines stört: "Ich habe zurzeit das Gefühl, je besser wir Handball spielen, desto mehr Schlagzeilen werden über uns produziert", sagte der 42-Jährige, der in Magdeburg geboren wurde, für Magdeburg spielte und jetzt dort Trainer ist, bei Dyn.

Die jüngste wird am Mittwoch wieder aufflackern. Nämlich dann, wenn der SC Magdeburg im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League bei Industria Kielce (18.45 Uhr/Dyn) spielt. Es wird nicht nur die Wiederauflage des Vorjahres-Finals sein, das Magdeburg sensationell gewinnen konnte. Nein, im Tor der Gegner wird dann auch Deutschlands Nummer eins Andreas Wolff stehen - und der wird mit einem Wechsel zurück in die Bundesliga in Verbindung gebracht. Eben zum SC Magdeburg.

Wolff nach Magdeburg?

Noch ist Wolff der Gegner - bald ein Mitspieler? Der 33-Jährige war 2019 vom THW Kiel nach Polen gewechselt. Er wolle dort spielen, wo der Erfolg am größten ist, hatte er immer wieder betont. Polnische Meistertitel sammelt er mit Kielce verlässlich, doch der Champions-League-Titel blieb ihm bislang verwehrt. Zuletzt scheiterten die Polen zweimal beim Final-Four-Turnier in Köln. 2022 gegen den FC Barcelona im Siebenmeterwerfen, zuletzt dann eben gegen Magdeburg nach Verlängerung. Die Sachsen-Anhaltiner sind das derzeit wohl beste Team der Welt. Als amtierender Champions-League-Sieger, frisch gebackener Pokalsieger und erster Anwärter auf den Meistertitel hat der Klub da durchaus gewichtige Argumente für einen Wechsel Wolffs auf seiner Seite.

Wiegert wollte am Wochenende wie Geschäftsführer Marc-Henrik Schmedt "Gerüchte grundsätzlich nicht kommentieren", sagte aber: "Es ist toll, dass der SC Magdeburg mit so tollen Spielern in Verbindung gebracht wird." Kielces Sportdirektor Michal Jurecki sagte bei Radio Kielce: "Niemand aus Magdeburg oder von einem anderen Verein hat uns wegen Andreas kontaktiert. Wir führen keine Verhandlungen. Es ist nur ein Gerücht."

Grund für das Gerücht ist die einzige Krise, die Magdeburg aktuell durchlebt: Torhüter Nikola Portner ist wegen einer positiven Dopingprobe suspendiert, ihm droht eine lange Sperre. In der Probe des Schweizers war Crystal Meth nachgewiesen worden, die B-Probe steht noch aus. "Das ist jetzt ein Thema von Anwälten, und die belehren uns immer wieder, dass wir uns in einem schwebenden Verfahren bitte nicht äußern sollen. Damit können wir Nikola schaden", sagte Wiegert: "Wir wollen in das Thema Ruhe reinbringen, ich bin alles andere als ein geduldiger Typ, aber das braucht jetzt einfach Zeit, und darum bitte ich alle Medienvertreter, das zu verstehen." Am Montag wurden zumindest die strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Magdeburg gegen Portner eingestellt. "Strafrechtlich und sportrechtlich sind es zwei verschiedene Herangehensweisen. Das ist natürlich eine unterschiedliche Betrachtungsweise", sagte dazu aber Sprecherin Eva Bunthoff von der Nationalen Anti Doping Agentur Deutschland der Deutschen Presse-Agentur.

Erster Titel auf Weg zum Triple

Es ist ein Drama, das den Klub offenbar noch mehr zusammenschweißt. So wie beim Final Four im DHB-Pokal. Im Vorjahr hatte Magdeburg das Finale im Siebenmeterwerfen gegen die Rhein-Neckar Löwen verloren. Diesmal flossen bei Wiegert Tränen der Freude. Am vergangenen Wochenende gab es nie einen Zweifel, dass der Titel nur über das Team aus Sachsen-Anhalt geht. Zu dominant, zu gewaltig. Erst im Halbfinale gegen die Füchse Berlin (30:25), dann folgte im Finale gegen die MT Melsungen der 30:19-Kantersieg. Nicht einmal Portners Suspendierung konnte Wiegerts Team verunsichern. Im Gegenteil, Torhüter Sergey Hernandez hielt überragend und bei der Siegerehrung trug Michael Damgaard das Trikot von Portner als Zeichen der Unterstützung. "Er ist Teil unseres Teams", sagte Wiegert, der eine Medaille für Portner extra sicherte und sie ihm zurück in Magdeburg persönlich umhängte.

Der Titel ist der erste Schritt auf dem Weg zum möglichen Triple. Oder gar Quadruple - den IHF Super Globe, die Klub-Weltmeisterschaft, hat Magdeburg schon im November zum dritten Mal in Folge gewonnen. Trotz all der großen Erfolge des SC Magdeburg - dieser Coup ist noch nie gelungen. Da hat der deutsche Rekordmeister THW Kiel dem Konkurrenten mit den Triples von 2007 und 2012 noch etwas voraus. Dass der ultimative Erfolg möglich ist, hat Magdeburg vor allem seinem Trainer zu verdanken. Auch wenn das Wiegert ganz anders sieht: "Nach meinem Verständnis sollte die Mannschaft der Star sein und nicht der Trainer, weil wir hier gar nichts ohne die Qualität der Jungs gewonnen hätten", sagte er der "Zeit" nach dem Königsklassen-Triumph im vergangenen Sommer, "da kann ich mich am Spielfeldrand noch so krumm machen und herumspringen wie Rumpelstilzchen." Und das macht er durchaus häufig. Wiegert lebt den Handball, schimpft und gestikuliert, wenn ihm etwas nicht passt.

Ihm wurde der Sport in die Wiege gelegt, sein Vater Ingolf Wiegert ist eine DDR-Legende im Handball, war mal der beste Kreisläufer der Welt. Der Sohn trat in seine Fußstapfen und wurde 1999 und 2001 EHF-Pokalsieger, 2001 zudem Deutscher Meister und 2002 Champions-League-Sieger. Seit Dezember 2015 ist er Trainer des Klubs und hat inzwischen all die Erfolge wiederholt: Zweimal DHB-Pokalsieger, Europa-League-Sieger 2021, Deutscher Meister 2022, Champions-League-Sieger 2023, dazu dreimal die Klubweltmeisterschaft gewonnen. Dreimal in Folge wurde er zuletzt als Trainer des Jahres ausgezeichnet.

Aus der Not zum Erfolg

Wiegert hat den SC Magdeburg und den gesamten Handball revolutioniert. Der "Kicker" schrieb 2022 analog zum Heavy-Metal-Fußball von Jürgen Klopps FC Liverpool vom "Heavy-Metal-Handball". Keine Pause für den Gegner, "Dauerdruck und Belagerungstaktik". Dass der 42-Jährige nicht nur Trainer, sondern auch Geschäftsführer ist, war bei seinem Start der Geldnot des Klubs geschuldet. Längst ist es ein Erfolgsrezept, dass er damit auch der Kaderplaner in Personalunion ist, sich quasi rund um die Uhr mit dem Sport und seinem Verein beschäftigt. Wie klar sein Plan immer ist - egal wie viel Druck und Anspannung herrscht - zeigen seine Auszeiten. Dreimal 60 Sekunden haben die Teams pro Spiel, um sich zu sortieren oder wahlweise den Spielfluss des Gegners durcheinanderzubringen. Nicht selten werden Trainer da laut und schnell. Nicht so Wiegert, der klar und strukturiert erklärt, die Stimme nie erhoben oder haspelig.

Obwohl niemand so sehr Magdeburg verkörpert wie er - sein früherer Magdeburg-Teamkollege und heutiger Füchse-Berlin-Geschäftsführer Stefan Kretzschmar brachte ihn nach der Heim-EM im Januar als Bundestrainer ins Gespräch. Da war noch nicht klar, dass der DHB mit Alfred Gislason verlängern würde. Wiegert wiegelte ab: "Vielleicht kommt das irgendwann mal langfristig infrage, kurzfristig stellt sich diese Frage für mich nicht. Mir schmeichelt das. Es ist schön für mich, aber auch eine Wertschätzung der Arbeit, die meine Mannschaft Tag für Tag leistet." Schmedt empfand Kretzschmars Äußerung, die für viel Wirbel sorgte und teilweise als Herabwürdigung von Gislason gewertet wurde, als Lob - dem er voll zustimmte: "Bennet ist aktuell der beste Trainer der Welt. Es ist völlig klar, dass das auch Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen und bei der Nationalmannschaft weckt", sagte er der "Bild". "Wäre auch schade, wenn das nicht so wäre."

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Doch Wiegerts Priorität ist klar Magdeburg. Das Triple. Der ultimative Erfolg. In der Bundesliga stehen zwar für Magdeburg noch sechs Partien aus, doch seit die Füchse Berlin am Sonntag gegen den Titelverteidiger THW Kiel trotz 5:0-Führung nur 32:32 spielten, ist Wiegerts Team Tabellenführer. Selbst hatte es mit einem Sieg gegen den Liga-Dritten SG Flensburg-Handewitt am Freitag vorgelegt. Es war der erste Erfolg der Magdeburger in Flensburg seit 2015. "Ich glaube, dass es schlechtere Momente dafür gibt als jetzt", sagte Wiegert bei Dyn. Andere stolpern - Magdeburg marschiert. Es wäre kein großes Wunder, wenn es keine Punkte mehr herschenkt, auch wenn Berlins Trainer Jaron Siewert noch hofft, den Titel-Traum zu schaffen. Sein Welthandballer Mathias Gidsel sagte dem RBB nach dem Remis dagegen gefrustet: "Das ist eine große Enttäuschung. Wir haben gesagt, wir wollen Meister werden. Das haben wir heute verloren. Das war nicht genug."

Weil da ein Team ist, das alles überstrahlt. In Deutschland und vielleicht sogar europaweit. Das wird das Spiel am Mittwoch zeigen. Zu verdanken hat Magdeburg das einem Trainer, dessen Bart zeitweise für viele fast genauso wichtig war wie sein Handball-Genie.

Quelle: ntv.de

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