Politik

"Es war Wahlbetrug" Anklage sieht politische Verschwörung, Trump lümmelt

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos | Feedback senden
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump gibt sich an diesem Prozesstag deutlich ruhiger als gewohnt.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump gibt sich an diesem Prozesstag deutlich ruhiger als gewohnt.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Hat Ex-Präsident Trump die Wahl wegen Schweigegeldzahlungen gewonnen? In denkwürdigen Eröffnungsplädoyers präsentieren seine Verteidiger und die Staatsanwaltschaft vollkommen gegensätzliche Ansichten. Trump präsentiert sich ungewöhnlich.

Im 15. Stock der 100 Centre Street wird es um kurz nach 9 Uhr unruhig - dann plötzlich mucksmäuschenstill. Donald Trumps Stimme findet ihren Weg zum anderen Ende des Ganges bis zur Sicherheitskontrolle, wo noch immer Dutzende auf Einlass warten und angestrengt zuhören. Bevor er in den Gerichtssaal geht, mutmaßt er laut säuselnd: Der Prozess sei mit der US-Regierung Washington abgestimmt und darauf ausgelegt, ihm als Rivalen des "schlechtesten Präsidenten der Geschichte" zu schaden. "Es ist Wahleinmischung, jeder weiß es!"

Ebendies wird die Staatsanwaltschaft dem Ex-Präsidenten danach im Saal an den Kopf werfen. Im historischen Schweigegeldprozess im Süden Manhattans möchten die Ankläger nachweisen, dass Trump mit Blick auf seine Präsidentschaftskandidatur 2016 sich mit seinem damaligen Anwalt Michael Cohen und dem Chef eines Medienkonzerns verschwor. Trumps Sexaffären sollten demnach nicht seine Siegchancen schmälern, wofür er Hunderttausende Dollar zahlen ließ - die er danach absichtlich nicht als Wahlkampfausgaben deklariert habe. Trumps Verteidiger stellen ihren Mandanten hingegen als unschuldigen, besorgten Familienmenschen dar. Es ist der denkwürdige Auftakt eines historischen Prozesses im Herzen der Stadt, in der Trump bekannt wurde.

Mitten in der Nacht schon sitzen, stehen und warten die Menschen vor dem Strafgerichtshof, eine modernistische Trutzburg im Herzen von New York City. Als es um halb sechs Uhr anfängt zu dämmern, werden in Stein geschlagene Lettern auf dem grauen Stein deutlich: "Equal And Exact Justice To All Men Of Whatever State or Persuasion", heißt es. "Niemand steht über dem Gesetz", rufen davor ungefähr 15 Demonstranten im Chor, die umgehend von den zahlreichen Polizisten auf dem Bürgersteig eingezäunt werden.

Zwei Sicherheitschecks und sechs Aufzüge braucht es, um die Journalisten und Interessierten in den holzvertäfelten Verhandlungs- und Beobachtersaal zu leiten. Trump sitzt in der Mitte seiner Anwälte, rechts neben seinem Team die Ankläger. Richter Juan Merchan schwört zum Auftakt die zwölf Geschworenen eine halbe Stunde lang auf ihre Aufgaben ein. "Die Schuld muss ohne jeden berechtigten Zweifel festgestellt werden, das sagt Ihnen, wie überzeugend die Belege sein müssen", mahnt er. Die Jury dürfe bis zu ihrem Urteil keine Medien konsumieren, mit niemandem darüber reden. Und dann entscheiden.

Medienkonzern als Trumps "Augen und Ohren"

Vor den Geschworenen fächert die Anklage den Fall "Die Bevölkerung von New York gegen Donald Trump" auf. Sie erklärt, was zu erwarten ist und auch, was sie mit Beweisen belegen wollen. "Es geht um eine kriminelle Verschwörung und Vertuschung", sagt Anwalt Matthew Colangelo: "Der Angeklagte Donald Trump hat ein kriminelles Komplott orchestriert, um die Präsidentschaftswahl 2016 zu manipulieren. Dann hat er diese kriminelle Verschwörung vertuscht, indem er in seinen New Yorker Geschäftsunterlagen immer und immer wieder gelogen hat." Damit Trump verurteilt wird, muss die Anklage belegen, dass er aus politischen Gründen heraus gehandelt hat.

Nachdem Trump im Jahr 2015 entschieden hatte, um die Präsidentschaft zu kämpfen, hätten sich drei Männer im Trump Tower zusammengefunden. Trump selbst, sein Anwalt Michael Cohen sowie David Pecker, Chef des Medienkonzerns American Media Inc., kurz AMI, hätten eine Vereinbarung getroffen. Die Magazine, insbesondere der "National Enquirer" und seine Journalisten, würden als Trumps "Augen und Ohren" fungieren, potenziell wahlschädigende Geschichten aus seiner Vergangenheit identifizieren, an Cohen melden und sich in Absprache mit Trump die Veröffentlichungsrechte sichern. So würden sie nicht vor der Wahl veröffentlicht. "Fangen und töten", heißt das im Pressejargon.

Die Anklage beruft sich auf drei Fälle: Eine Zahlung für die Geschichte über ein mögliches uneheliches Kind, eine Liebesaffäre mit dem Ex-Playboy-Model Karen McDougal sowie Sex mit der Pornodarstellerin Stephanie Clifford alias Stormy Daniels. Dazu will sie Zahlungsbelege präsentieren und vor allem Rückzahlungen von Trump an Cohen, die fälschlicherweise als Einkommen für "juristische Arbeit" ("legal work") deklariert wurden. "Es war Wahlbetrug", wagt sich Colangelo weit vor in seiner Wortwahl. Während all dieser Ausführungen blickt Trump stur am Ankläger vorbei, manchmal tauscht er Notizen mit seinen Anwälten aus oder tuschelt ein wenig mit ihnen.

"Nichts falsch daran, eine Wahl zu beeinflussen"

Danach ist die Verteidigung an der Reihe. Sie hat eine komplett andere Version für die Geschworenen: "Trump ist unschuldig", sagt Todd Blanche zum Auftakt: "Der Präsident hat keine Straftaten begangen." Vielmehr sei sein Mandant "in Unschuld gekleidet". Trump hat nun erstmals seinen roten Lederstuhl bewegt, um seinen Anwalt während dessen Ausführungen anzusehen. Dieser holt zu einer Eloge aus über dessen Bekanntheit, Erfolg als Geschäftsmann und Politiker. "Wir nennen ihn Präsident aus Respekt." Zudem präsentiert er Trump als Privatmann: "Er ist ein Mensch. Er ist ein Ehemann. Er ist ein Vater", sagt Blanche. Er habe nie Rückzahlungen an Cohen getätigt, sondern lediglich für dessen Anwaltstätigkeit gezahlt.

"Es ist nichts falsch daran, eine Wahl zu beeinflussen", behauptet Blanche pointiert. "Das nennt sich Demokratie." Auch Schweigevereinbarungen seien völlig legal und würden überall praktiziert. Daniels' Anschuldigungen einer Affäre mit Trump seien "bösartig" gewesen, meint er: "Es war der Versuch, Präsident Trump zu beschämen, seine Familie zu beschämen." Das ist offenbar ein Teil der Strategie der Verteidigung: Sie stellt Trump als besorgten Familienvater dar, der zudem nichts Falsches getan habe. Als Blanche ausführlich darauf eingeht, dass Cohen von Trump "besessen" sei und ihn aus Gewinnstreben "zerstören" wolle, und dass Cohen ein Lügner sei, werden die Anwälte zweimal zum Richter zitiert. Offenbar soll Blanche die Versuche unterlassen, Cohen den Geschworenen als notorischen Lügner zu verkaufen, dessen mögliche Aussage als Kronzeuge unter keinen Umständen zu trauen sei.

Während Trump in der vergangenen Woche noch mit seinen Rechtsvertretern nach vorn zum Richter ging, bleibt er nun konsequent sitzen, allein. Vernehmbar äußert er sich im Saal kein einziges Mal hörbar. Zuweilen lümmelt er von leeren Sitzen eingerahmt in seinem Lederpolster. Nachdem Blanche die Jury dazu aufgerufen hat, für das Urteil ihren "gesunden Menschenverstand" zu nutzen (wie auch die Anklage zuvor) und darauf hinweist, dass die Strafverfolger die "Verschwörung" nur behaupten, aber ihm nicht wörtlich in der Anklageschrift zur Last legen, beendet er sein Eröffnungsplädoyer.

Nach einer kurzen Pause rufen die Ankläger den ersten Zeugen zur Aussage, Ex-AMI-Chef David Pecker. Er beschreibt seine Aufgaben und die Führungsstruktur des Medienkonzerns, wie alle Titelblätter und wichtigen Geschichten über seinen Tisch gingen, er sie persönlich absegnete. Dass der "National Enquirer" Scheckbuchjournalismus betrieb, also für Geschichten bezahlte, und er alles, was teurer als 10.000 Dollar war, genehmigte oder ablehnte. Es dürfte interessant werden, Pecker wirkt bedacht, aber offen. Doch dann unterbricht der Richter plötzlich die Verhandlung. Erst am Folgetag kann die Befragung fortgesetzt werden. Einer der Geschworenen muss zu einem Zahnarzttermin. Vor dem Gebäude, da demonstrieren inzwischen unter strahlendem Sonnenschein ein paar Anhänger Trumps.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen