Politik

Lars Klingbeil: "Scheingefechte" FDP-Papier sorgt für Krach in der Ampel

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Ist das Zwölf-Punkte-Papier der FDP schon die "Scheidungsurkunde" der Ampel, wie CSU-Chef Söder unkt? Nein, sagt der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil bei ntv. Die Vorschläge des Koalitionspartners, Bürgergeld zu kürzen und die Lebensarbeitszeit zu verlängern, seien aber grundfalsch.

Die Union frohlockt: Die FDP leite mit ihrem Zwölf-Punkte-Papier den Anfang vom Ende der Ampel-Koalition ein. Doch der SPD-Vorsitzende will davon nichts wissen. "Ich gehe fest davon aus, dass alle sich bewusst sind, welche große Verantwortung wir tragen", sagte Klingbeil im ntv Frühstart. "Wir müssen gucken, was sicherheitspolitisch los ist in der Ukraine, im Nahen Osten. Wir haben riesige Herausforderungen im Land, wenn es darum geht, wirtschaftliche Stärke zu erreichen." Auf diese Aufgabe solle sich die Regierungskoalition konzentrieren.

Dass Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder in den FDP-Vorschlägen eine "Scheidungsurkunde" sieht, ficht Klingbeil nicht an. Söder wechsele gerne mal seine Position und "haut gerne mal einen raus", sagte Klingbeil. Er konzentriere sich auf diejenigen, die für das Land Verantwortung tragen. "Und da gehört Markus Söder auf der Bundesebene Gott sei Dank nicht dazu."

"FDP stellt sich ein Stück weit selbst in Frage"

Kalt lassen den SPD-Vorsitzenden die Vorschläge des kleinsten der drei Koalitionspartner indes nicht. Die Forderung nach einer Abschaffung der Rente mit 63 weist er entschieden zurück. "Klar ist für uns, wir werden nicht zulassen, dass Angriffe auf die Leistungsträger in dieser Gesellschaft stattfinden, auf diejenigen, die den Laden zusammenhalten und die zum Beispiel als Dachdecker, als Erzieherin, als Pflegekräfte heute schon wahnsinnig viel leisten", sagte Klingbeil.

Auch Einschnitte beim Bürgergeld, wie von der FDP vorgeschlagen, sind mit der SPD nicht zu machen. "Wir haben das Bürgergeld gemeinsam auf den Weg gebracht. Wir haben auch im Nachhinein noch mal verschärft. Das hat Hubertus Heil auf den Weg gebracht", erinnerte Klingbeil. "Und ein Stück weit stellt die FDP sich ja selbst in Frage, wenn man sagt 'Das, was wir vor ein paar Wochen noch auf den Weg gebracht haben, das wollen wir jetzt verändern.'"

Klingbeil bot der FDP stattdessen an, über die Energieversorgung, mehr Investitionen und weniger Bürokratie zu sprechen. "Keine Scheingefechte führen, sondern darauf konzentrieren, was wirklich wichtig für dieses Land ist", ermahnte Klingbeil die FDP. Auch SPD-Generalsekretär Kühnert wies die Vorschläge der FDP für Sozialkürzungen scharf zurück. "Nun ist die Katze also aus dem Sack: Das Wirtschaftswende-Konzept von Christian Lindner besteht vor allem aus der Beschimpfung von Arbeitnehmern", sagte er dem "Tagesspiegel". Die Vorschläge offenbarten einen "zynischen Blick auf unsere Mitmenschen".

Harte Abkehr vom Ampel-Kurs

In einer Beschlussvorlage des Parteipräsidiums der FDP sprechen die Liberalen sich etwa für harte Sanktionen für Bürgergeldempfänger und ein Ende der Rente mit 63 aus. "Wer seinen Mitwirkungspflichten im Bürgergeld nicht nachkommt und beispielsweise zumutbare Arbeit ohne gewichtigen Grund ablehnt, sollte mit einer sofortigen Leistungskürzung von 30 Prozent rechnen müssen", heißt es in dem Papier. Als zumutbare Arbeit nennt das Papier explizit auch "sogenannte Ein-Euro-Jobs". Der Spielraum für verschärfte Sanktionen müsse ausgenutzt werden, "bis hin zu einer vollständigen Streichung von Leistungen", fordert das FDP-Präsidium weiter. Das Leistungsniveau solle zudem zunächst nicht weiter steigen und die Politik für mindestens drei Jahre keine neuen Sozialleistungen beschließen.

Den möglichen Renteneintritt mit 63 Jahren lehnt die FDP unter Verweis auf den Fachkräftemangel ab. Den frühzeitigen Ruhestand könne sich Deutschland nicht leisten. Stattdessen sprechen sich die Liberalen dafür aus, das Anstellen von Menschen im Rentenalter attraktiver zu machen, indem der Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosenversicherung nach Erreichen der Regelarbeitsgrenze gestrichen wird. Außerdem bekräftigt die FDP ihre Forderung nach einer steuerlichen Besserstellung von Überstunden. Ferner sollen staatliche Förderungen für Wind- und Solarenergieanlagen demnach abgeschafft und das Lieferkettengesetz ausgesetzt werden.

FDP kommt am Wochenende zusammen

Die Vorschläge stehen allesamt in scharfem Widerspruch zu den Vorstellungen der Koalitionspartner SPD und Grüne und grenzen sich auch vom eigenen Regierungshandeln der FDP ab. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte: "Das Papier liest sich wie 'Lambsdorff 2.0'." Der damalige Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff hatte 1982 mit seinen wirtschaftspolitischen Vorschlägen das Ende der Regierung seiner FDP mit der SPD herbeigeführt. Linnemann forderte: "Die FDP muss sich ehrlich machen. Entweder sie steigt aus der Ampel aus oder sie setzt einige notwendige Maßnahmen durch. Da sind einige Punkte drin, die man unter schwarz/gelb schnell umsetzen könnte."

Die FDP kommt am Wochenende zu ihrem Bundesparteitag in Berlin zusammen. Themen werden gleichermaßen die wirtschaftliche Misere wie auch die eigenen Zustimmungswerte in den Umfragen sein. Aus beidem sucht die Partei unter ihrem Vorsitzenden und Bundesfinanzminister Christian Lindner einen Ausweg. Bislang bestreiten aber Vertreter der FDP-Spitze, dass sie es mit ihren programmatischen Vorschlägen auf einen Bruch der Ampel-Koalition und Neuwahlen anlegten.

Quelle: ntv.de, shu/dpa/AFP

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