Politik

AfD-Chef Chrupalla bei Miosga "Jeder, der mich kennt, schätzt mich"

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In ihrer zehnten Sendung hat Miosga den AfD-Vorsitzenden Chrupalla zu Gast.

In ihrer zehnten Sendung hat Miosga den AfD-Vorsitzenden Chrupalla zu Gast.

(Foto: NDR/Thomas Ernst)

Caren Miosga lädt den AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla in ihre Sendung - und der bekommt viel Raum zur Selbstinszenierung als freundlicher Maler von nebenan. Korruption, Rassismus oder Frauenfeindlichkeit in der eigenen Partei? Weiß Chrupalla angeblich nichts drüber - und kommt erstaunlich leicht davon.

Als es spannend wird, ist die Sendung zu Ende. Da diskutieren die Gäste über das Menschenbild der AfD. Bis dahin jedoch vermeidet die Moderatorin weitgehend kritische Fragen. Caren Miosga hat sich den AfD-Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla eingeladen. Der zeigt sich sympathisch, freundlich, bodenständig. In der zweiten Hälfte sind es die Gäste, die wirklich kritisch sind, besonders Journalistin Nadine Lindner vom Deutschlandfunk.

Aber von vorn: Da spricht Moderatorin Miosga die Fälle des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, und der Nummer zwei für die Europawahl, Petr Bystron an. Beide stehen wegen ihrer Russland-Nähe derzeit im Fokus, Bystron wird sogar vorgeworfen, Geld aus Russland angenommen zu haben. Am Montag will sich der AfD-Vorstand erneut mit der Angelegenheit befassen.

Chrupalla sagt über Krah: "Solange keine Beweise noch Belege auf dem Tisch liegen, und die haben weder wir noch gibt es in irgendeiner Weise Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft noch von irgendwelchen sonstigen Ermittlungsbehörden, glaube ich ihm." Natürlich sei er besorgt, sagt Chrupalla. "Das werden wir nicht dulden, dass Meinungen oder Positionen käuflich erwerbbar sind in unserer Partei. Und da werden wir notfalls natürlich reagieren." Sollten sich die Anschuldigungen als wahr erweisen, würde das einen Parteiausschuss nach sich ziehen. Ob es aber überhaupt problematisch sein könnte, dass zwei so hervorgehobene AfD-Politiker sich solcher Kritik erwehren müssen, auf diese Diskussion lässt Chrupalla sich nicht ein.

Der Privatmann

Dann erst mal Unverfängliches: Chrupalla darf über seinen Vater, seine Söhne, seinen Werdegang als Malermeister und über seine Heimatverbundenheit reden, als wäre er ein Politiker wie jeder andere, nicht Chef einer in weiten Teilen als rechtsextremistisch eingeschätzten Partei. "Jeder, der mich kennt und weiß, wie ich agiere, wie ich im Privatleben bin, der schätzt mich", ist Chrupalla überzeugt. Er ist gut darin, von sich den Eindruck zu erwecken: Das ist so einer für ein Bierchen an der Theke oder einen Kegelabend.

Dann hätte er auch Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Sachsen werden können, hakt Miosga nach. Das ist jetzt Jörg Urban, mit dem sich Chrupalla zufrieden zeigt, obwohl der selbst in Sachsen kaum bekannt ist. "Jörg Urban wird Michael Kretschmer schlagen. Da bin ich überzeugt", sagt er. Ob Chrupalla bei einem Wahlsieg der AfD nicht vielleicht doch sächsischer Ministerpräsident werden wolle? "Das wird man sehen, wenn es so weit ist", antwortet er. Sein Stand sei in Berlin. Was der als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD-Landesverband Sachsen im Falle einer Alleinregierung so alles anstellen würde mit dem Freistaat, fragt Miosga nicht.

Die AfD und die Frauen

Weiter zum EU-Wahlprogramm, kündigt Miosga an, um genau darüber dann nicht zu reden. Stattdessen zitiert sie aus einem Buch, das Spitzenkandidat Krah letztes Jahr veröffentlicht hat. Da schreibt er etwa, es gebe weniger hochintelligente Frauen als Männer, weshalb es auch keine Diskriminierung sei, wenn es weniger Nobelpreisträgerinnen, Mathematikprofessorinnen und Frauen in DAX-Vorständen gibt. Seine Meinung sei das nicht, sagt Chrupalla lächelnd und witzelt in Anspielung auf andere Politikerbücher: "Ich weiß auch gar nicht, ob er dieses Buch selber geschrieben hat."

Bei Miosga kommt der frühere Siemens-Chef Joe Kaeser später noch einmal auf Krahs These zurück. Er kritisiert: "Dass Frauen weniger intelligent sind in der Breite als Männer, das ist schon eine beachtliche Art, über Frauen zu urteilen. Das wäre vielleicht eine bequeme Entschuldigung von DAX-Vorständen, die nicht in der Lage sind, Frauen dort hineinzufordern." Allerdings: Sowohl bei Siemens, wo Kaeser von 2013 bis 2021 Vorstandsvorsitzender war, als auch bei Daimler Truck, wo Kaeser dem Aufsichtsrat vorsitzt, gibt es derzeit je nur eine Frau im Vorstand.

Frauen sollen für Ausländer einspringen

Weiter geht es mit der Wirtschaftspolitik der AfD und ihre großen Vorhaben: raus aus der EU, oder zumindest deren weitgehende Entmachtung. Jedes Land brauche seine eigene Wirtschafts- und Währungspolitik. Zudem will die AfD die Vermögens- und die Erbschaftssteuer abschaffen. Und ihr Rezept gegen den Fachkräftemangel: mehr Frauen in Arbeit, Einsatz von künstlicher Intelligenz und Robotern, Frauen sollen mehr Kinder bekommen.

Nun werden auch die beiden zusätzlichen Gäste ins Boot geholt, Kaeser und Nadine Lindner. Kaeser erklärt die Notwendigkeit, auch auf ausländische Fachkräfte zu setzen. "Wenn wir dann unseren Export nicht aufrechterhalten können, weil uns die Menschen dazu fehlen, diese Wirtschaftsleistung zu erzielen, wird der Wohlstand natürlich zurückgehen." Chrupalla hält dagegen: Man habe seit 2015 den Zuzug von Fachkräften versprochen. "Es sind seitdem über 10 Millionen Menschen nach Deutschland gekommen. Viele sind gegangen, aber viele sind auch hiergeblieben. Und es waren eben wenige Fachkräfte dabei", sagt Chrupalla.

Die meisten Migranten seien in die Sozialsysteme eingewandert, weil sich Arbeit nicht mehr lohne. Chrupallas Behauptungen können in der Sendung nicht in allen Einzelheiten auseinandergenommen werden - ein Grundproblem von Fernsehdiskussionen mit populistischen Politikern. Zugleich spricht Chrupalla valide Punkte an, etwa die Bildungsmisere. 60.000 Schulabgänger pro Jahr ohne Schulabschluss, 2,6 Millionen in der Altersgruppe zwischen 20 und 34 ohne Ausbildung: "Da heißt es fordern und fördern, dass wir diejenigen, die hier sind, unsere Jugend, unsere Generation, dass wir die nicht im Stich lassen, sie in Arbeit und vor allem auch in Ausbildung bringen."

Und dann kommt Chrupalla auf die Frage der Bevölkerungsvermehrung: Die Familien müssten sich Kinder wieder leisten können, fordert er. "Die Grundfreibeträge müssen drastisch erhöht werden. Auch das steht in unserem Programm drin, dass Familien mit Kindern wenig bis gar keine Steuern mehr bezahlen müssen. Das wäre ein Anreiz."

Lindner kommt jedoch auf ein Missverhältnis zu sprechen: Die AfD will mehr Frauen in Arbeit bringen und fordert mehr Kinder? Darauf hat Chrupalla gewartet und fordert gleich noch mehr und vor allem kostenlose Kindergartenplätze und eine bessere Kinderbetreuung. Wer die übernehmen soll, bleibt Chrupallas Geheimnis. "Wäre es denn nicht besser, dass unser Land offen ist, dass unser Land Menschen einlädt und sagt: Hier ist es ein guter Platz zum Leben, hier seid ihr willkommen, hier reden wir nicht darüber, wie viele Frauen wie viele Kinder bekommen?", fragt Kaeser.

Chrupalla lächelt, Miosga lächelt

"Niemand in unserer Partei hat was gegen diese Weltoffenheit", behauptet Chrupalla, schränkt aber kurz darauf ein: Menschen aus "afrikanische Kulturen" hätten es generell schwerer, sich in Deutschland zu integrieren und bereiteten "die größten Probleme", sagt er unter Verweis auf die Kriminalitätsstatistik. Das ist nur halb falsch: Die Experten vom Bundeskriminalamt sehen nicht die kulturelle Herkunft als Erklärung dafür, dass manche Herkunftsländer überrepräsentiert sind in der Statistik.

Journalistin Lindner erinnert an den Spruch der ostdeutschen AfD-Fraktionsvorsitzenden: "Deutschland muss deutsch bleiben." Sie kritisiert, "dass man eine gleichförmige, dass man eine homogene Gesellschaft haben möchte, die idealerweise - ich sage es jetzt einfach mal so - idealerweise weiß ist, das kommt an allen Stellen in Ihrer Partei durch." Nun wird Chrupalla ein wenig ungehalten. "Weiß: Da bringen Sie jetzt Dinge in diesem Kontext hinein, die nirgendwo genannt wurden. Das finde ich unverschämt." Auch in der AfD seien viele Menschen mit Migrationshintergrund Mitglieder und Wähler. Niemand widerspricht und erklärt dem Zuschauer, was der Verfassungsschutz meint, wenn er über die völkisch-nationalistische Ideologie der AfD berichtet.

Und dann ist die Sendung zu Ende. Und eine perfekte Möglichkeit, die AfD so zu zeigen, wie sie in Wahrheit ist, wurde weitgehend verpasst. Dabei hätte es genug spannende Themen gegeben: die Haltung der Partei zur Ukraine, was gewählte AfD-Politiker tatsächlich aus Regierungsämtern machen, der thüringische AfD-Spitzenkandidat, der behinderte Kinder nicht an Regelschulen unterrichten lassen will, um nur einige zu nennen.

Die versuchte Konfrontation mit den Büchern, Zitaten und Aussagen anderer AfD-Politiker hingegen lief ins Leere: "Kenne ich nicht, weiß ich nicht, nicht meine Wortwahl", brachte Chrupalla jedes Mal lächelnd hervor. Warum Miosga angesichts des Sendungsverlaufs nicht ihr Lächeln verging, bleibt das Geheimnis der Moderatorin.

Quelle: ntv.de

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