Panorama

Türen in Rom geöffnet Kardinal kämpft in Guatemala für Arme und Migranten

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Alvaro Ramazzini fragt bei einem Besuch in den USA nach den  Problemen von Einwanderern.

Alvaro Ramazzini fragt bei einem Besuch in den USA nach den Problemen von Einwanderern.

(Foto: AP)

Alvaro Ramazzini ist ein katholischer Geistlicher, die Armen, Bedürftigen und Vernachlässigten in Guatemala lieben ihn. Was er tut, ist nicht ohne Risiken. Doch abgeschreckt hat ihn das nie.

Kardinal Alvaro Ramazzini wies auf die Dutzenden alten und behinderten Menschen, die eine Straße im ältesten Viertel von Guatemala-Stadt säumten, um einen kirchlichen Festumzug zu verfolgen. "Lasst uns hoffen, dass diese Prozession die Bereitschaft im Herzen wiederbelebt, die Gegenwärtigkeit von Jesus Christus in der Person zu finden, die leidet", sagte er in einer improvisierten Rede. "Wenn wir diese Fähigkeit nicht haben, sagt mir nicht, dass ihr Christen seid - ich würde das nicht glauben."

Es war ein Aufruf zu sozialer Gerechtigkeit - einer der vielen in dieser Richtung, die man von diesem katholischen Geistlichen kennt. Sie sind sozusagen das Markenzeichen seines jahrzehntelangen Priesteramtes in Guatemala geworden.

Von Papst Franziskus in die Spitzenhierarchie der katholischen Kirche berufen, erweist sich Ramazzini als ein unermüdlicher Kämpfer für die Alten, Armen, die Indigenen und die Migranten - Menschen, die, wie er sagt, am Rande stehen. Seine Sorge und sein Aktivismus haben ihm bei diesen Menschen tiefste Zuneigung eingetragen, aber auch viele Gewaltdrohungen in einem Land, das so viel politischen Aufruhr erlebt hat und ein andauernder Hotspot von Migration in die USA ist. Es hat auch Gerüchte über einen Haftbefehl gegen den Geistlichen gegeben. Aber abgeschreckt hat ihn das alles nie.

"Missionieren mit Taten"

So nahm Ramazzini auch bei der jüngsten österlichen Prozession kein Blatt vor den Mund, was Guatemalas Regierung betrifft, prangerte den Mangel an sozialer Sicherheit für die Älteren an, von denen sich viele wie "bedürftige Bettler" fühlten. Ein großer Teil der Gebrechlichen war von Freiwilligen zu dem Umzug gebracht worden, saßen in Rollstühlen oder stützten sich auf ihren Rollator, während sie die Prozession vorbeiziehen sahen. Und sie konnten kaum glauben, als der 76-jährige Kardinal die Straße hinunterging, um sich unter sie zu mischen, wie die Gruppenorganisatorin Teresita Samayoa Bautista schilderte.

"Das ist ein Missionieren mit Taten", sagte sie. "Für mich war es die Stimme eines Volkes, das nicht sprechen kann und das leidet. Genauso, wie Jesus es tun würde. Das ist es, was man Hingabe für ein Volk nennt, egal, ob sie (die Menschen) religiös sind oder nicht."

In seinem bescheidenen Büro in Huehuetenango im Westen des Landes erklärt er die Antriebsfeder für seine Mission. Guatemalas Herausforderungen zu erleben, vom jahrzehntelangen Bürgerkrieg (1960 bis 1996) bis heute, habe seine Entschlossenheit zementiert, Glauben in Aktionen umzusetzen, so der Kardinal.

2019 machte ihn Papst Franziskus zum Kardinal.

2019 machte ihn Papst Franziskus zum Kardinal.

(Foto: AP)

Dabei versucht er, seine Position als einer der insgesamt nur 128 Kardinäle mit Wahlrecht bei Konklaven zu nutzen - eine Stellung, die er seit 2019 hat und die, wie er sagt, Türen "auf Ebenen öffnet, zu denen viele Guatemalteken keinen Zugang haben". Das ermöglicht es ihm, bei Treffen mit kirchlichen und politischen Führungspersonen "die Sorgen und Bedürfnisse der Menschen zu vermitteln, denen ich tagtäglich diene".

Bekämpfung von Migrationsursachen

Den größten Teil der rund 50 Jahre seit seiner Priesterweihe hat Ramazzini als Bischof in San Marcos und dann Huehuetenango verbracht. Diese gebirgigen, überwiegend indigenen Regionen wurden hart vom Bürgerkrieg getroffen und haben seitdem mit extremer Armut und Drogenhandel zu kämpfen - was Hunderttausende örtliche junge Leute veranlasst hat, in die USA zu gehen.

Schonungslos offen in seiner Verteidigung indigener Gruppen und demokratischer Rechte setzt sich Ramazzini auch vehement für das ein, was er einen strikten und essenziell humanen Ansatz in Sachen Migration bezeichnet. Im vergangenen Herbst wurde er Präsident des Migrationsnetzwerkes der lateinamerikanischen Bischofskonferenz. Der Kardinal argumentiert, dass sich Menschen weiter auf gefährliche Reisen nach anderswo begeben, solange sie daheim keine Jobs mit genügender Bezahlung finden können, um sich und ihre Familien zu ernähren. Und oft würden ihre Rechte auch nach der Ankunft am Ziel nicht geschützt.

"Man hätte es schwer, eine andere Führungsperson in der Kirche oder sonst in Zentralamerika zu finden, die mehr Vertrauen bei den Armen genießt als er", sagt Bischof Mark Seitz in El Paso im US-Staat Texas, der Vorsitzender des Migrationsausschusses der katholischen Bischofskonferenz der USA ist. Er hat seit mehreren Jahren eng mit Ramazzini zusammengearbeitet, um Wege zu finden, wie die Kirche zur Bekämpfung der Grundursache der Migration beitragen kann.

Morddrohungen und Leibwächter

Nicht, dass die Kirche in Huehuetenango die finanziellen Ressourcen hätte, um die Situation zu ändern - es gibt nicht genug Geld, um Arbeitsplätze zu schaffen, die Menschen im Land halten oder auch nur garantieren würden, "dass Menschen nicht drei Mahlzeiten am Tag missen (müssen)", wie der Kardinal sagt. Wohltätigkeitsorganisationen berichten, dass aus jeder Ortschaft Migranten gen Norden ziehen, vertrieben durch Armut und verlockt durch potenzielle US-Jobs.

Während des Bürgerkrieges hat Ramazzini Todesdrohungen erhalten und benötigte Leibwächter. Gegen Ende vergangenen Jahres, als guatemaltekische Staatsanwälte versuchten, den Amtsantritt des gewählten progressiven Präsidenten Bernardo Arévalo zu verhindern, hörte der Kardinal, dass er möglicherweise angeklagt und festgenommen werde. Die Bischofskonferenz des Landes hatte seinerzeit zur Respektierung des Wahlprozesses aufgerufen und Ramazzini einen Brief an die Generalstaatsanwältin geschrieben - in dem er sie fragte, ob ihre Handlungen im Einklang mit dem katholischen Glauben stünden.

Der Geistliche machte sich nach eigenen Angaben natürlich Sorgen über die etwaigen Bedingungen einer Inhaftierung - hatte er doch wiederholt Insassen im Gefängnis von Huehuetenango seelsorgerisch betreut und kannte sich daher etwas aus. Er habe sich vorgestellt, wie es sein könnte, ohne Freiheit, sagt er. Aber das seien nun einmal die Risiken. "Man weiß, dass Leben in Gottes Händen ist."

Quelle: ntv.de, Giovanna Dell'Orto, AP

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