Panorama

Ein Leben voller Fülle Wie man der Unzufriedenheit zu Leibe rückt

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Chris Bloom versucht seinen Klienten zu einem besseren Leben zu verhelfen.

Chris Bloom versucht seinen Klienten zu einem besseren Leben zu verhelfen.

(Foto: Farina Deutschmann)

Schlechtes Feedback bekommen oder die Bahn verpasst - das Leben scheint manchmal sehr ungerecht zu sein. Ein systemischer Therapeut verrät, wie man der Misere etwas Positives abgewinnen kann.

"Das Leben ist schön" ist eine der Lebensweisheiten des Kinderbuchautors Janosch. Ein einfacher Satz, der in der Realität nicht immer leicht über die Lippen kommt. Dabei ist genau dieser Satz das Ziel, das sich viele Menschen erhoffen. Doch wenn man sich umguckt, gibt es manchmal viele Gründe, warum das Leben nicht so schön ist, wie man es sich erhofft hat: Das Wetter ist schlecht, der Kühlschrank kaputt oder die Bahn hat man verpasst.

Plötzlich hält die Freude über positive Ereignisse nur kurz an, dagegen überwiegt der innere Zweifler und Kritiker viel zu oft. Werden die Gedanken im Laufe der Zeit negativer, werden auch die Mitmenschen angespannter und plötzlich wird man mit dem eigenen Pessimismus konfrontiert. Dieser entwickelt sich vor allem aus den eigenen Erfahrungen, denn wer Kindern genauer zuhört, wird merken: Deren Freude ist riesig, egal, worum es geht. Janosch hat das erkannt. Doch es gibt keinen Weg zurück zur kindlichen Naivität. Wer dennoch mit sich und dem eigenen Leben mehr im Reinen leben will, um sich wieder auf jeden Morgen zu freuen, der kann laut Coach Chris Bloom drei Dinge tun - unabhängig davon, welche Gründe es für Unzufriedenheit geben mag.

"Viele haben ein Wunschbild ihres Lebens, zum Beispiel mit Ende 20 verheiratet sein und Kinder bekommen oder die perfekte Karriere haben. Diese Wünsche werden problematisch, wenn sie zu unrealistischen Erwartungen führen", erklärt der systemische Therapeut Bloom. Oftmals führt kein direkter Weg zum Ziel, manchmal sind Umwege nötig oder die Ziele nur in einem eher unperfekten Zustand zu erreichen, also beispielsweise eine fehlgeschlagene Geschäftsidee, bevor man davon leben kann.

Vom Mangel wegschauen

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Scheinen die großen Ziele gerade weit weg zu liegen oder kaum zu erreichen, kann Dankbarkeit für kleine Dinge helfen, um sich auf das Positive im Hier und Jetzt zu fokussieren. Bloom gibt Beispiele: "Ich kann dankbar dafür sein, dass ich gesund bin und mit dem Rad in die Arbeit fahren kann." So kreiere man mehr Fülle im Leben und löst sich von Erwartungen, die einen unter Druck setzen. Es hilft auch, flexibler in Bezug auf Ergebnisse und Prozesse zu sein, offen für den Weg zum Ziel zu sein und nicht nur auf den Moment zu warten, in dem endlich alles erreicht ist. Nur so erkennt man auch den Wert des eigentlichen Ziels.

Dankbarkeit wendet die Aufmerksamkeit von dem ab, was dir fehlt, und hin zu dem, was bereits vorhanden ist. Dieser Perspektivenwechsel verhilft zu mehr Zufriedenheit und Erfüllung, auch wenn die äußeren Umstände nicht perfekt sind. Studien von US-amerikanischen Psychologen etwa zeigen, dass dankbare Menschen tendenziell glücklicher und zufriedener sind. Indem man sich regelmäßig auf die positiven Aspekte des Lebens konzentriert, kann sich das allgemeine Wohlbefinden verbessern und zwischenmenschliche Beziehungen stärken, weil man sich dankbarer ihnen gegenüber zeigt. Diese gezeigte Wertschätzung und der Respekt vertiefen die Bindung.

Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben kann auch dadurch entstehen, dass man sich immer wieder mit anderen Menschen vergleicht. "Wir vergleichen uns, aus dem Instinkt heraus, unsere Position in der sozialen Hierarchie zu kennen. Vergleichen kann aber auch nützlich sein und uns motivieren. Auch negative Gefühle wie Neid können wir positiv nutzen, wenn wir hinterfragen, warum wir neidisch sind. Bin ich neidisch auf einen Kollegen, der schon etwas mehr erreicht hat als ich, kann ich mich fragen, was ich tun muss, um das auch zu erreichen", erklärt Bloom.

Schädlich wird das Vergleichen, wenn es dauerhaft passiert und so zu einem geringeren Selbstwert führt oder wenn der Vergleich mit Personen außerhalb des eigenen Wirkungskreises geschieht, also beispielsweise mit dem Körper eines Supermodels oder den Kenntnissen eines Elon Musk. Vergleicht man sich mit unerreichbaren Menschen, was oft auch durch die sozialen Netzwerke begünstigt wird, wird der Abstand zu ihnen als so groß wahrgenommen, dass man nur noch den eigenen Mangel und die eigene Unfähigkeit sieht. Laut Bloom trägt Social Media oft dazu bei, das eigene mit dem scheinbar perfekten Leben von Influencern zu vergleichen. Wer dieser Spirale entkommen will, sollte das Handy öfter zur Seite legen und sich fragen, ob Influencer wirklich so entspannt und sorgenlos leben.

Resilienz als Schutz

"Dauerhafter Vergleich kann ein Zeichen dafür sein, dass es an innerer Sicherheit und Zufriedenheit mangelt, dadurch wird man noch selbstkritischer und verliert sich in der eigenen Unzufriedenheit." Um diesem Kreislauf zu entgehen, sollte man sich immer wieder dabei ertappen, wenn man sich vergleicht. Dazu hilft es sich zu fragen, ob dieser Vergleich angemessen ist, ob diese Person womöglich viel mehr Zeit hatte oder Unterstützung bekommen hat. Vielleicht gibt es Situationen, in denen man immer wieder dazu neigt, sich zu vergleichen, während man in anderen Teilen des Alltags dies eigentlich nie tut. Diese Muster zu identifizieren und dann zu reflektieren, dass es ein bestimmter Umstand ist und wie man diesen auflösen kann, bringt den Fokus auf das Selbst zurück. Sollte dies schwerfallen, kann die Meinung von Menschen aus dem eigenen Umfeld helfen, da sie eine ehrliche und meist empathische Sicht haben. Wer mehr Zeit mit Familie und Freunde verbringt, die unterstützen und empathisch reagieren, der ist gefestigt in dem Grundsatz, dass man selbst okay sei, so wie man ist.

Manche Menschen sehen sich immer wieder mit Situationen konfrontiert, denen sie sich nicht gewachsen fühlen, etwa eine Trennung, der Verlust einer geliebten Person oder auch kleinere Alltagsdinge, denen man schnell die Schuld an einer größeren Misere gibt. Dann ist die ausgefallene Bahn plötzlich der Grund, dass man nie etwas erledigt bekommt, oder der Regen ist schuld daran, dass der Geburtstag ein absoluter Reinfall wird. Doch egal ob Alltagsdinge oder schwerwiegende Krankheiten, Wissenschaftler haben vor allem ein Mittel zu einem besseren Umgang mit einer unerwünschten Situation erkannt: Resilienz. Denn Resilienz ist ein wichtiger Schutzfaktor etwa gegen psychische Probleme wie Depressionen, Angstzustände und Stress. Wer wenig bis gar nicht resilient ist, hat ein erhöhtes Risiko, von solchen Problemen betroffen zu sein oder dass sie schwerwiegender werden, wenn sie auftreten.

"Um resilienter gegenüber Herausforderungen und Probleme im Leben zu werden, hilft eine gewisse Leichtigkeit und die Akzeptanz, dass nicht immer alles perfekt läuft", sagt Bloom. "Das Leben hört nicht auf, wenn du deinen Traumjob nicht bekommst, dein Partner wird dich deshalb nicht weniger lieben." Steckt man in einer ungünstigen Situation, hilft es dies erst mal zu akzeptieren und nicht auf das Gestern oder Morgen zu blicken. "Akzeptieren bedeutet, erst mal ja zu sagen, dabei kann es helfen, das laut auszusprechen, was ist. Ja, ich bin jetzt getrennt, obwohl ich die Beziehung nicht beenden wollte. Ja, ich bin jetzt arbeitslos, obwohl mir meine Arbeit sehr wichtig war." Diese Akzeptanz zeigt, dass nicht alles kontrollierbar ist.

Halb leer oder halb voll?

Gleichzeitig kann sie paradoxerweise aber auch ein Gefühl der Kontrolle zurückgeben, indem man die eigene Reaktion und innere Einstellung zu einem Problem kontrollieren kann, indem man Herausforderungen als Chance zum Wachstum begreift. "Wenn ich verlassen wurde, kann ich das als Chance nutzen, jemanden zu finden, der besser zu mir passt. Habe ich meinen Job verloren, kann ich ein anderes Unternehmen kennenlernen oder vielleicht endlich meiner Leidenschaft nachgehen", sagt Bloom. Dieser Prozess könne schwer sein, weil er neu für die Psyche ist, die es gewohnt ist, Ausreden zu finden oder mit negativen Emotionen und Selbstzweifeln zu antworten.

Bloom empfiehlt, geduldig mit sich selbst zu sein und auch Zweifel zu akzeptieren: "Zweifel haben ihre Daseinsberechtigung, aber sie sollten nicht komplett in den Vordergrund rücken. Sie helfen uns, in Sicherheit zu sein und diese nicht grundlos zu riskieren. Sie können aber auch zeigen, wo wir noch wachsen können." Selbstkritische Gedanken sollten möglichst durch positive Selbstgespräche ersetzt werden: die sogenannten Affirmationen. Ein Beispiel hierfür wäre: "Ich kann alles schaffen, was ich mir vornehme." Indem man positive Glaubenssätze in seinen Alltag implementiert, fokussiert man sich auf den eigenen Willen und die individuellen Stärken. Bloom kommt noch einmal auf das Beispiel des Strafzettels zurück: "Welcher ist der erste Impuls, den ich habe und wieso?"

Möglicherweise sagt man sich: "Das war klar, dass mir das passiert" oder man fragt sich: "Warum immer ich?". Mit diesen ersten Emotionen schreibt man sich oftmals selbst Rollen zu, die eher hinderlich sind, etwa: Ich bin der Unglückspilz und egal, was ich tue, ich habe Pech im Leben oder werde dabei erwischt. Als Folge kritisiert man sich selbst noch mehr und glaubt etwas, das vielleicht in der Vergangenheit eine Rolle gespielt hat, aber nicht die Zukunft mitbestimmen muss. Anders verläuft es mit mehr Akzeptanz in dieser Situation: "Ja, ich bin zu schnell gefahren und wurde dabei auch erwischt." Bloom erklärt weiter, warum man sich dennoch dankbar dafür zeigen kann - selbst wenn es noch so schwerfällt: "Ich kann jetzt lernen, aufmerksamer und langsamer zu fahren, und mehr auf Regeln zu achten, damit ich nicht noch mehr Strafzettel bekomme oder sogar etwas Schlimmeres geschieht."

Wer es schafft, diesen Prozess zu verinnerlichen und so die eigenen Reaktionen immer mehr zu hinterfragen, wird immer resilienter gegenüber Herausforderungen, die zuvor noch die Gründe für eigene Unzufriedenheit waren.

Quelle: ntv.de

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