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Mitglieder votieren gegen Saleh Landeschef fällt bei Berliner SPD krachend durch

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Seit 2011 leitete er die Fraktion und bis zuletzt auch die Partei: Raed Saleh.

Seit 2011 leitete er die Fraktion und bis zuletzt auch die Partei: Raed Saleh.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Berliner SPD sucht eine neue Parteispitze. Und auch wenn das neue Duo noch nicht gefunden ist, gibt es schon in einem Punkt Klarheit: Der amtierende Vorsitzende Saleh wird es nicht. Gemeinsam mit der Bezirkspolitikerin Lehmann erleidet er eine Wahlschlappe.

Die Berliner SPD steht vor einem spektakulären Wechsel an der Spitze. Bei der Mitgliederbefragung zur künftigen Doppelspitze erlitt der amtierende Landesvorsitzende und langjährige Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh, der gemeinsam mit der Bezirkspolitikerin Luise Lehmann aus Marzahn-Hellersdorf angetreten war, eine krachende Niederlage. Das Duo kam nur auf 15,65 Prozent, wie die Co-Landesvorsitzende Franziska Giffey nach der Auszählung mitteilte. Sie amtiert gemeinsam mit Saleh seit November 2020 und trat nicht noch einmal an.

Die anderen beiden Bewerberduos stellen sich nun einem zweiten Wahlgang, weil keines eine absolute Mehrheit erreichte. Das Team aus Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel und Ex-Staatssekretärin Nicola Böcker-Giannini fuhr mit rund 48,2 Prozent das beste Ergebnis ein und verfehlte die absolute Mehrheit damit nur knapp. Das Team aus dem SPD-Landesvize Kian Niroomand und der früheren Co-Vorsitzenden der Berliner SPD-Frauen, Jana Bertels, kam auf 36,1 Prozent und ist ebenfalls weiter im Rennen.

Die zweite Runde der Mitgliederbefragung mit den beiden bestplatzierten Teams findet vom 2. bis 17. Mai um 22.00 Uhr statt. Wie schon beim ersten Wahlgang sind rund 18.000 Mitglieder aufgerufen, ihre Stimme online oder per Brief abzugeben. In Runde eins lag die Beteiligung bei eher mageren 47,6 Prozent. Giffey zeigte sich damit zufrieden, aber: "Man wünscht sich natürlich immer mehr."

"Für uns persönlich enttäuschend"

Hikel sagte nach der Auszählung, in der Berliner SPD werde nun eine neue Ära eingeleitet. "Die Mitglieder haben gegen ein Weiter-so gestimmt." Bertels vom zweiten Team sagte, das Votum zeige den Wunsch vieler Sozialdemokraten nach einem Neustart der Partei. "Das wäre mit uns möglich."

Beide Teams einte der Wille, gegen das Establishment an der Parteispitze vorzugehen und neue Wege einzuschlagen, um die seit Jahren bei Wahlen immer mehr schwächelnde SPD wieder nach vorn zu bringen. Programmatisch unterscheiden sie sich in einigen Punkten. So stellten Hikel und Böcker-Giannini etwa das kostenlose Kita-Essen für alle Kinder infrage, Niroomand und Bertels sprachen sich hier gegen Änderungen aus.

Saleh und Lehmann zeigten sich enttäuscht. "Unsere Mitglieder haben im ersten Wahlgang eine eindeutige Entscheidung getroffen, die wir voller Respekt und verantwortungsvoll annehmen", erklärten beide. "Selbstverständlich ist dieses eindeutige Ergebnis für uns persönlich enttäuschend, als Partei wird uns die baldige Klarheit aber insgesamt stärken und konzentriert zusammenführen und zusammenarbeiten lassen."

Saleh und Giffey führen die SPD seit November 2020. Nach Salehs Niederlage als Parteichef stellt sich nun die Frage, wie es mit dem einflussreichen Politiker als Fraktionschef im Abgeordnetenhaus weitergeht. Er leitet die Fraktion seit 2011. "Hier wurde über den Landesvorsitz abgestimmt und nicht über die Abgeordnetenhausfraktion", sagte Giffey dazu.

"Die SPD hat zwei gute Angebote", ergänzte sie mit Blick auf die verbliebenen beiden Duos. Auch die zweite Phase der Mitgliederbefragung werde die SPD sehr konzentriert angehen und am Ende zu einem guten Ergebnis kommen. "Wir treten dafür ein, dass die SPD wieder zu mehr Stärke kommt", sagte sie. "Und wir treten ein für eine demokratische Stadt, die wirtschaftlich stark ist, ihrer ökologischen Verantwortung gerecht wird, aber nie das Soziale aus dem Blick verliert." Dafür sei ein "neuer Aufbruch" gut.

Berliner SPD kämpft gegen Krise

Während der neuerlichen Befragung sind laut Giffey am 7. und 14. Mai Mitgliederforen mit den beiden Teams geplant. Das Resultat des zweiten Wahlgangs wird dann am 18. Mai ausgezählt. Endgültig gewählt werden soll die neue Doppelspitze auf Basis dieses Ergebnisses dann bei einem Landesparteitag am 25. Mai. Das Votum der Mitglieder ist zwar für den Parteitag rechtlich nicht bindend, eine abweichende Abstimmung der Delegierten gilt aber als praktisch ausgeschlossen.

Bei der Berliner SPD herrscht Unruhe und Verunsicherung, weil es mit den Wahlergebnissen seit vielen Jahren stetig bergab ging. Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung war die Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Februar 2023. Die einstige Volkspartei mit Giffey als Spitzenkandidatin fuhr ein historisch schlechtes Ergebnis von 18,4 Prozent ein und landete weit hinter der CDU und nur wenige Stimmen vor den Grünen.

Anschließend ging die Partei nach rund sechseinhalb Jahren Bündnis mit Grünen und Linken eine Koalition mit der CDU ein - als Juniorpartner. Giffey, die erst Ende 2021 als Regierende Bürgermeisterin ins Rote Rathaus eingezogen war, arbeitet seither als Wirtschaftssenatorin im schwarz-roten Senat ihres Nachfolgers Kai Wegner von der CDU.

Wie gespalten die Berliner SPD ist, wird am Ergebnis des damals abgehaltenen Mitgliedervotums vor Unterzeichnung des Koalitionsvertrags deutlich: Nur eine knappe Mehrheit von 54,3 Prozent stimmte für eine gemeinsame Regierung mit der CDU. Die Beteiligung lag damals bei rund 62 Prozent. Zwar funktioniert die Zusammenarbeit in der Koalition seither recht gut. Aber es gibt in der traditionell eher linken Berliner SPD nach wie vor viele Kritiker des Bündnisses.

Quelle: ntv.de, ses/dpa

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