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Zum Schutz der Atemwege Seltener Zelltyp fungiert als Wachposten im Rachen

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NE-Zellen sind die Hüter der Atemwege. Sie konnten im Kehlkopf und in der Luftröhre nachgewiesen werden.

NE-Zellen sind die Hüter der Atemwege. Sie konnten im Kehlkopf und in der Luftröhre nachgewiesen werden.

(Foto: IMAGO/Pond5 Images)

Wenn Flüssigkeit in die Atemwege gelangt, führt das zu einem Hustenreiz. Forschende finden nun heraus, durch welche Art von Zellen dieser ausgelöst wird. Die neuen Erkenntnisse könnten helfen, verschiedene Erkrankungen der Atemwege in Zukunft besser behandeln zu können.

Ein seltener Zelltyp im Rachen erkennt, wenn wir Flüssigkeit buchstäblich in den falschen Hals bekommen, und löst einen Hustenreflex aus. Wie ein US-amerikanisches Forschungsteam im Fachblatt "Science" beschreibt, könnte ein besseres Verständnis dieser Zellen einmal helfen, Krankheiten wie Lungenentzündung, COPD und Asthma besser zu behandeln.

Wenn wir zu schnell schlucken oder abgelenkt sind, kann es passieren, dass Flüssigkeit statt in die Speiseröhre in die Lunge gelangt. Dies führt zu einem heftigen und unkontrollierten Husten, da die oberen Atemwege das Wasser wahrnehmen und dem Gehirn ein entsprechendes Signal senden. Auch Menschen mit Sodbrennen kennen diesen Hustenreflex, wenn aufsteigende Magensäure die Atemwege reizt.

Zellen mit Doppelfunktion

Eine Forschungsgruppe der University of California - San Francisco hat nun den seltenen Zelltyp identifiziert, der für diese Reaktion verantwortlich ist. Es handelt sich um neuroendokrine Zellen (NE-Zellen), die im gesamten Atmungs- und Verdauungssystem vorkommen. Diese Zellen haben eine Doppelfunktion: Sie produzieren und setzen Hormone frei wie endokrine Zellen und senden und empfangen elektrische Signale wie Neuronen.

Die NE-Zellen wurden im Kehlkopf und der Luftröhre identifiziert. Bisher wusste man nur wenig über diese Zellen in den oberen Atemwegen. Laura Seeholzer, leitende Autorin der Arbeit, entwickelte verschiedene Methoden, um die winzigen und sehr seltenen neuroendokrinen Zellen isolieren und charakterisieren zu können. Darüber hinaus untersuchte sie, welche Gene in jeder Zelle aktiv sind und welche Reize die Zellen veranlassen, aktiv zu werden. Dabei stellte die Physiologin fest, dass die NE-Zellen in der Luftröhre und im Kehlkopf im Gegensatz zu denen aus der Lunge nicht auf Druckveränderungen reagierten, jedoch auf Wasser und Säure.

NE-Zellen und ihr Kommunikationsweg

In Versuchen mit Mäusen konnte Seeholzer zeigen, dass die Aktivierung der NE-Zellen dazu führte, dass die Tiere schluckten und husteten - wichtige Reflexe, die die Lunge schützen. Umgekehrt reagierten Mäuse, denen die NE-Zellen vollständig fehlten, nicht auf Wasser in ihren Atemwegen. "Niemand hatte zuvor gezeigt, dass diese Zellen mit sensorischen Neuronen kommunizieren, und wir wollten den gesamten Nachrichtenweg verfolgen", erklärt Hauptautor David Julius, der 2021 gemeinsam mit Ardem Patapoutian den Medizin-Nobelpreis erhalten hatte.

Laut Seeholzer deuten die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass die NE-Zellen des Kehlkopfs und der Luftröhre ähnlich wie Geschmacksknospen oder Ohrhaare funktionieren: Sie sind zwar keine Nervenzellen, stehen aber in Verbindung mit Nerven, die sensorische Informationen an das Gehirn senden.

"Wenn Sie jemals die Erfahrung gemacht haben, Wasser oder sauren Reflux zu aspirieren, wissen Sie, dass beides unglaublich schmerzhaft ist; sie husten und würgen sofort und versuchen, Ihre Atemwege zu säubern", so Seeholzer. "Jetzt verstehen wir besser, wie der Körper das auslöst."

Alter mindert Hustenreflex

Bei älteren Menschen und solchen mit bestimmten Krankheiten ist der Hustenreflex oft nicht mehr so empfindlich. Das führt dann dazu, dass sie eher dazu neigen, dass Flüssigkeit in die Lunge gelangt, was zu einer Lungenentzündung führen kann. Die Autorinnen und Autoren hoffen, dass ihre Studie hilft, Wege zu finden, mit denen die Empfindlichkeit wieder erhöht werden kann. Eine gezielte Nutzung dieser Zellen könnte auch den chronischen Husten behandeln helfen, der bei manchen Menschen mit Sodbrennen auftritt. Allerdings müssen noch weitere Untersuchungen durchgeführt werden, um herauszufinden, wie sich die NE-Zellen möglicherweise durch Krankheit, Rauchen oder Alterung verändern, so Seeholzer.

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In einem unabhängigen Kommentar unterstreichen Ziai Zhu und Xin Su von der University of California - San Diego die grundsätzliche Bedeutung der NE-Zellen: Diese seien an einer Reihe von Krankheiten beteiligt, darunter die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und Asthma. Zudem wirkten die Zellen nicht nur als Sensoren, sondern dienten in bestimmten Fällen auch als Reservestammzellen. "Die klinische Relevanz von NEs unterstreicht die Notwendigkeit umfassender Studien, um das dynamische Zusammenspiel zwischen ihren sensorischen Fähigkeiten und ihrem Repertoire an funktionellen Leistungen zu erforschen", schreiben die beiden Wissenschaftlerinnen.

Hauptautor Julius fasst zusammen: "Diese Studie gibt uns nicht nur einen Einblick in die Art und Weise, wie unser Körper unsere Atemwege auf diese höchst überraschende Weise schützt, sondern auch in die Art und Weise, wie innere Organe als Torwächter zur Außenwelt fungieren können."

Quelle: ntv.de, Alice Lanzke, dpa

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