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Beben in Venezuelas Führung USA ziehen Sanktionsschrauben an, Maduro tönt

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Venezuelas Präsident Nicolás Maduro will im Juli für eine dritte Amtszeit gewählt werden.

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro will im Juli für eine dritte Amtszeit gewählt werden.

(Foto: REUTERS)

Venezuelas humanitäre Krise, die fliehende Bevölkerung, die Ausbeutung, dafür sind Präsident Maduro und sein Führungszirkel verantwortlich. Statt Konfrontation versucht es die US-Regierung - auch der riesigen Ölreserven wegen - mit Dialog. Der zerschellt an Maduro.

Die Taktik der Vereinigten Staaten ist nicht aufgegangen. "Wann sind wir eine Kolonie der USA, ein weiterer Stern (auf ihrer Fahne) geworden? Kann mir das jemand sagen?", fragte Nicolás Maduro gewohnt provozierend. Venezuelas Präsident reagierte damit prompt auf die am Mittwoch mitgeteilte Entscheidung aus Washington, die seit einem halben Jahr gelockerte Sanktionen gegen den Öl- und Gassektor des südamerikanischen Landes wieder einzusetzen. Im Hauptquartier des Staatskonzerns PDVSA nannte er den Schritt umringt von Ölarbeitern "Erpressung". Das staatliche Fernsehen übertrug die Ansprache live im ganzen Land.

Maduro habe die getroffenen Vereinbarungen nicht eingehalten, sagten hochrangige US-Regierungsmitarbeiter zu den Gründen für den Kurswechsel. Wegen der Lockerungen waren die Ölexporte im März so hoch wie seit vier Jahren nicht mehr. Venezuelas Staatshaushalt ist von Einnahmen aus dem fossilen Energiesektor abhängig. Die Mehrheit der venezolanischen Bevölkerung lebt nach vielen Jahren der Misswirtschaft in Armut. Caracas hofft nun, zumindest die in den vergangenen Monaten ausgehandelten Erweiterungsprojekte zwischen PDVSA, dem US-Konzern Chevron sowie dem spanischen Repsol noch zum Abschluss bringen zu können, bevor die Strafmaßnahmen Ende Mai wieder voll greifen.

US-Unternehmen dürfen in Zukunft nicht mehr mit Venezuelas staatlichem Öl- und Gaskonzern PDVSA zusammenarbeiten, diesem werden Investitionen in Venezuela und Rohölverkäufe auf dem Weltmarkt für US-Dollar untersagt. Nur noch Tauschgeschäfte sind erlaubt, falls die US-Behörden nach Antrag eine spezielle Lizenz dazu bewilligen. Damit ist die Zeit der sanfteren Töne zwischen den beiden Ländern vorerst vorbei. Doch was ist überhaupt geschehen?

Opposition ausgeschaltet

Nach der großangelegten russischen Invasion der Ukraine hatten sich die beiden Länder vorsichtig angenähert. Die seit 2019 geltenden Sanktionen hatten die Vereinigten Staaten nach langwierigen Verhandlungen im Oktober gelockert. Im Gegenzug versprach Maduro, freie und faire Präsidentschaftswahlen zu ermöglichen. Die sind für den 28. Juli angesetzt, am Geburtstag des Ex-Präsidenten Hugo Chávez. Die Institutionen des Landes werden von Regierungstreuen kontrolliert. Die venezolanische Opposition hatte in seltener Einigkeit auf Juli hingearbeitet, in der Hoffnung, der gezeigte gute Wille Washingtons würde ihnen bei der Wahl helfen.

Nun hat sich der Lichtblick für einen möglichen Regierungswechsel wieder verdunkelt. "Wir haben die Situation genau beobachtet", ließ die US-Regierung wissen. Caracas habe die Wahlen zwar wie versprochen frühzeitig angekündigt und auch die Voraussetzung für internationale Beobachter geschaffen. Doch das habe nicht gereicht. Kandidaten und Parteien seien wegen Formalien ausgeschlossen worden. Caracas schüchterte politische Gegner ein, schikanierte sie oder nahm sie fest, sperrte Oppositionsanhänger und Aktivisten ein.

Könnte Maduro gefährlich werden: María Machado (rechts).

Könnte Maduro gefährlich werden: María Machado (rechts).

(Foto: REUTERS)

Kurz nach der Vereinbarung im vergangenen Jahr hatte sich die Opposition auf die gemeinsame Kandidatin María Machado geeinigt. Maduro war in einer Umfrage in den wichtigsten Städten des Landes Anfang des Jahres auf etwa 20 Prozent Zustimmung gekommen, die Konservative Machado auf überwältigende 74 Prozent. Machado spart nicht mit markigen Worten. Sie sei "im Krieg mit dem Chavismus", sagte sie unter anderem. Der schloss sie von der Wahl aus, ebenso ihren Ersatzkandidaten. Laut der US-Regierung war dies der entscheidende Punkt für die wieder eingeführten Sanktionen. "Sie haben die Unterdrückung verstärkt", klagte Machado: "Sie haben alles getan, von dem sie gesagt haben, dass sie es nicht tun würden." Regierungstreue sagten hingegen, Venezuela habe die Vereinbarung mit den USA eingehalten.

Neben den wieder eingesetzten US-Sanktionen und möglichen Auswirkungen auf den Staatshaushalt und die Bevölkerung beschäftigt derzeit ein gigantischer Korruptionsskandal die venezolanische Führung. Der von den USA als "Narco Kingpin" bezeichnete Ex-Ölminister Tareck El Aissami ist allem Anschein nach bei Maduro in Ungnade gefallen. Anfang April nahmen Sicherheitskräfte den früheren PDVSA-Chef und zwei weitere bekannte Chavisten fest. Der Schritt kommt einem Beben gleich. El Aissami war schon Minister unter Chávez und gehörte zum engsten Kreis um Maduro.

Tareck El Aissami (links) war bis März 2023 Chef von PDVSA.

Tareck El Aissami (links) war bis März 2023 Chef von PDVSA.

(Foto: AP)

El Aissami wird beschuldigt, mithilfe eines hochrangigen Strohmanns die PDVSA um rund 21 Milliarden US-Dollar betrogen zu haben. Der gesamte venezolanische Staatshaushalt umfasste im vergangenen Jahr 11,5 Milliarden US-Dollar. In diesem Jahr sollten es wegen der größeren Ölexporte 20,5 Milliarden US-Dollar sein. Zudem verringerte sich die Inflation. Dieser angedeutete Aufschwung könnte nun wegen der verhängten Sanktionen wieder in sich zusammenfallen.

Maduro klebt an der Macht

Chávez' früherer Außenminister Maduro ist inzwischen seit elf Jahren an der Macht. Unter US-Präsident Donald Trump hatte das Außenministerium einen Kurs des maximalen Drucks verfolgt, um einen Regierungswechsel zu erzwingen. Zuvor hatte die venezolanische Präsidentschaftswahl 2018 zu internationaler diplomatischer Unruhe geführt. Die USA und weitere Länder, darunter auch Deutschland und die EU, erklärten Maduros proklamierten Wahlsieg für ungültig. Stattdessen erkannten sie Parlamentspräsident Juan Guaidó als Interimspräsident an, der danach eine Schattenregierung mit diplomatischen Vertretungen im Ausland führte.

Ein gemeinsamer Umsturzversuch Guaidós mit der Opposition und Teilen des Militärs scheiterte jedoch. Die Generäle stützten weiterhin Maduro. Als Guiadós Mandat Anfang 2020 endete, fiel auch seine Parallelregierung wieder in sich zusammen. Die US-Staatsanwaltschaft klagte daraufhin mehr als ein Dutzend Mitglieder der venezolanischen Führung wegen "Narco-Terrorismus" an und lobte 15 Millionen US-Dollar Belohnung für die Festnahme Maduros aus.

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Die US-Regierung der Demokraten versuchte nach dem russischen Großangriff auf die Ukraine Anfang 2022 einen Kurswechsel: Dialog. Washington verhandelte mit Caracas; auch, um sich angesichts der Weltmarktturbulenzen nicht alle Wege zu den gigantischen venezolanischen Ölreserven zu versperren. Zudem fliehen Venezolaner inzwischen nicht mehr nur innerhalb Südamerikas, sondern auch in großer Zahl bis in die USA. Fast 8 Millionen Menschen haben in den vergangenen zehn Jahren das Land verlassen.

Doch die Verabredungen haben offensichtlich nichts daran geändert, dass Maduro und seine Führung die Macht nicht aus der Hand geben wollen; koste es, was es wolle. So wie die nun wieder eingesetzten Strafmaßnahmen. Für Maduro geht es schließlich um alles: Sollte er eine Wahl verlieren, müsste er sich womöglich vor Gericht für seine Regierungszeit verantworten. Auch das von den USA ausgesetzte Kopfgeld gilt noch immer.

Quelle: ntv.de

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