Panorama

Wertanlage aus Mpumalanga Esther Mahlangu: "Ich kann einfach gut malen"

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Fröhlich tanzend eröffnet Esther Mahlangu (Mitte) ihre Retrospektive in Kapstadt.

Fröhlich tanzend eröffnet Esther Mahlangu (Mitte) ihre Retrospektive in Kapstadt.

(Foto: Iziko Museums / Marla B)

Wenn veritable Rockstars Fans sind, dann muss was dran sein - wie bei Esther Mahlangu: Mick Jagger, Alicia Keys und viele andere stehen auf die Südafrikanerin, die gerade mit einer Retrospektive in Kapstadt gefeiert wird und in Venedig Teil der 60. Kunstbiennale ist. Eine Begegnung mit der 88-jährigen Legende.

Auf einer hellrosa gestrichenen Wand wimmeln diese perfekt abstrakten, symmetrischen Farbkompositionen und flirren vor den Augen des Publikums. Die Ornamente von Esther Mahlangu ziehen überall auf der Welt, so wie hier in einem südafrikanischen Museum, Menschen in ihren Bann. Die Sängerin Alicia Keys, Musiker Pharell Williams, Hollywoodstar Leonardo di Caprio, die Moderatorin Oprah Winfrey und der weit gereiste Mick Jagger haben Bilder der afrikanischen Dame in ihren Gemächern an der Wand.

Von Mpumalanga in die Welt: Traditionelle Wandbemalung im Heimatdorf der südafrikanischen Künstlerin.

Von Mpumalanga in die Welt: Traditionelle Wandbemalung im Heimatdorf der südafrikanischen Künstlerin.

(Foto: Clint Strydom)

Wer vor diesen 88 kleinen, aber intensiven Malereien steht, fragt sich: Wie viele Muster kann ein einzelner Mensch erschaffen? Wie viele Farben kann man miteinander kombinieren? "Das ist nur schwer zu erklären", sagt Esther Mahlangu ntv.de beim Treffen in Kapstadt. Das Gespür für Farben und Muster sei ein Teil von ihr und fließe ganz natürlich aus ihr heraus. Sie trägt traditionelle Ndeble-Kleidung, jede Menge Perlenschmuck und coole Sneaker, dezent von ihr bemalt. Die will man haben. Sofort. Die sind vermutlich kaum zu bezahlen, denn auf Auktionen erzielen ihre Werke sechsstellige Beträge.

"Kann gut malen"

Mit einer eindrucksvollen Retrospektive im Iziko Museum wird derzeit das Lebenswerk der 1935 geborenen Künstlerin zelebriert. Die Ausstellung soll ab August auf Welttournee gehen, zunächst nach Johannesburg, dann in die USA und schließlich nach Europa kommen.

Solange sie denken kann, hantiert Mahlangu mit Farben. Als kleines Mädchen hatte sie die Mauern vor ihrem Haus für alle sichtbar bemalt. Ihre Großmutter schimpfte, verbannte sie auf die Rückseite, weil sie mit dem Dekor nicht zufrieden war. Das Kind übte und übte, bis die Muster endlich Gefallen fanden und sie die vordere Fassade des Gehöfts bemalen durfte. Da war sie zehn Jahre alt. Selbstbewusst erzählt Mahlangu, dass sie von diesem Moment an wusste, "dass ich gut malen kann".

Filigrane Hühnerfedern sind die besten Pinsel für die international begehrten Ndebele-Kunstwerke.

Filigrane Hühnerfedern sind die besten Pinsel für die international begehrten Ndebele-Kunstwerke.

(Foto: Clint Strydom)

Der Titel der Schau "And then I knew I was good at painting" basiert auf dieser Anekdote. Gerade Striche mit ruhiger Hand freihändig zu malen, noch dazu mit einer Hühnerfeder, ist Teil der Ndebele-Kunst. Diese erstaunlich junge Tradition wird in Mahlangus Dorf Mpumalanga bei Johannesburg seit den 1940er Jahren weitergegeben. Dabei ging es nicht darum, das Heim zu verschönern, sondern auf subtile Art das eigene Territorium abzustecken – gegen die Buren, die damals ihr Land besiedelten. Die Rauten, Recht- und Dreiecke haben dabei besondere Bedeutung, sind in ihrer kulturellen Identität verwurzelt.

Reisen vor dem Ende der Apartheid

Obwohl die Künstlerin über Jahrzehnte hinweg viel in der Welt unterwegs ist, kehrt sie immer an ihren Heimatort und zu ihren Wurzeln zurück. Tankt dort Ruhe, Kraft. Ihre erste Reise geht 1989 nach Paris, in das Herz der Kunstwelt. Damals sei es außergewöhnlich gewesen, dass schwarze Südafrikaner ins Ausland aufbrechen, erinnert sie sich. Die Apartheid in Südafrika endet erst drei Jahre später. Die Ausstellung in Paris bringt internationalen Erfolg. "Obwohl ich bereits seit 40 Jahren in meiner Heimat malte, war das meine erste wirkliche Begegnung mit einem internationalen Publikum", resümiert Mahlangu. Sie stellt in Museen und Galerien von New York über London bis Bochum aus, wo sie 2004 die Mauer des Kunstmuseums bemalt.

Esther Mahlangu ist eine Meisterin der feinen, geraden Linie.

Esther Mahlangu ist eine Meisterin der feinen, geraden Linie.

(Foto: Clint Strydom)

"Ich liebe es zu malen, meine Kultur und mein Erbe zu zelebrieren", sagt sie, denn ihre Arbeit sei zugleich ihre Inspirationsquelle. Esther Mahlangu ist eine Meisterin der Linie, der scharfen Formen und der präzisen Kolorierung. Längst malt sie nicht mehr mit den schnell verblassenden und wasserlöslichen Farben, die ursprünglich genutzt werden. Mit knallbunt strahlenden Pigmenten hat sie das geerbte Vokabular auf Leinwände übertragen und sich in die Jetztzeit katapultiert. Die Hühnerfeder wird gegen borstige Pinsel getauscht, die Mauer gegen Leinwände. Esther Mahlangu hat mit ihren besonderen Kompositionen die internationale Aufmerksamkeit geschickt auf ihre ethnische Gemeinschaft gelenkt.

Wodka, Autos, Frauen

Muster à la Mahlangu finden sich nicht nur auf Leinwänden. Ihr Art Car ist zum ersten Mal in Südafrika auf Tour.

Muster à la Mahlangu finden sich nicht nur auf Leinwänden. Ihr Art Car ist zum ersten Mal in Südafrika auf Tour.

(Foto: Clint Strydom)

Muster à la Mahlangu finden sich auf Flugzeugen, Fernsehern, Schuhen, Teedosen sowie auf klassischen Tapisserien oder Afrika-typischen Perlenarbeiten. Marken-Kollaborationen sind ihr Ding. Indem sie westliche Gegenstände mit dem einzigartigen Ndeble-Design verschränkt, hat Mahlangu zugleich ihren globalen Einfluss verstärkt. Mit dem Wodka-Hersteller Belvedere sammelt sie Geld für den Kampf gegen AIDS. Bis zum heutigen Tag arbeitet sie mit Automobilherstellern von Fiat über Rolls-Royce bis BMW zusammen. Als erste Frau und erste Südafrikanerin verzierte sie 1991 eines der berühmten Art Cars. Mahlangus 525i ist keine Rennkiste, sondern ein mobiles Museumsobjekt. Das wird auf der documenta in Kassel ausgestellt, tourt über die Kontinente und ist jetzt nach 30 Jahren erstmals in ihrer Heimat zu Gast. "Das Art Car habe ich 1991 wie eine Mauer bemalt", lacht sie.

Auch hier am Iziko Museum hat die 88-Jährige die Vorderseite des Gebäudes bemalt. Die Besucher werden, wie bei ihr zu Hause, mit meisterhafter Abstraktion begrüßt. Für dieses Wandgemälde und die Eröffnung ist sie trotz ihres hohen Alters angereist. Sie selbst bleibt bei den Feierlichkeiten eher wortkarg und füllt dennoch den Raum. "Mam Esther", wie sie hier voller Respekt genannt wird, genießt den Augenblick. Als folkloristische Musik ertönt, tanzt sie rhythmisch in ihren lässigen Sneakern durch das extra aufgebaute Zelt. Die lebende Legende wird bis tief in die Nacht gefeiert.

Das alles bedeutet ihr jedoch nicht die Welt. Mahlangu sieht sich in erster Linie als Ernährerin, Leiterin und Lehrerin. In ihrer Community ist sie beim Thema Frauenförderung ein absolutes Vorbild. Seit den 90er Jahren lehrt sie an der von ihr gegründeten Ndeble-Kunstschule. "Bildung ist essenziell. Im Laufe der Jahre habe ich meinen Schülerinnen unsere besondere Malerei beigebracht. Ich möchte, dass sie von klein auf die Bedeutung von Bildung und Tradition begreifen." Es wird erzählt, dass sie eine strenge Lehrmeisterin gewesen sei. Schließlich ist sie überzeugt, dass die Ndebele-Tradition in dieser immer schneller werdenden Welt nicht in Vergessenheit geraten dürfe.

Raus aus der "Folklore", rein in die Biennale

Energie pur - die knallbunten Zickzack-Muster finden sich auch auf Gegenständen wie Pumps.

Energie pur - die knallbunten Zickzack-Muster finden sich auch auf Gegenständen wie Pumps.

(Foto: Iziko Museums / Dean S)

In Europa gewinnen afrikanische Künstlerinnen und Künstler zunehmend an Bedeutung. Dass der eurozentrische Blick geöffnet werden muss, ist längst kein Geheimnis mehr. Künstlerinnen aus dem globalen Süden haben eindeutig ihren Platz in der westlichen Kunstgeschichte. So auch Esther Mahlangu: Mit ihren dynamischen Abstraktionen ist die Südafrikanerin in diesem Jahr in der Hauptausstellung der Kunstbiennale in Venedig zu finden. Hier wird Mahlangu als Teil eines historisch wichtigen Kerns gesehen und soll künstlerische Entwicklungen im 20. Jahrhundert entscheidend mit angeschoben haben.

Esther Mahlangu als Vorbild? Das brasilianische Kollektiv Mahku hat den Hauptpavillon in Venedig gestaltet.

Esther Mahlangu als Vorbild? Das brasilianische Kollektiv Mahku hat den Hauptpavillon in Venedig gestaltet.

(Foto: privat)

"Fremde überall" hat der brasilianische Kurator Adriano Pedrosa seine Schau genannt. Ihm geht es auch darum, zu zeigen, wie wichtig es ist, kulturelles Wissen zu vererben. Er rückt bewusst Kunst aus Afrika, Asien und Lateinamerika in den Fokus und will damit Leerstellen füllen. In der Lagunenstadt wird ein Werk Mahlungus zu sehen sein, das in den 1990er Jahren entstanden ist. Welches genau, darf sie im Vorfeld nicht verraten. Aber sie freue sich, dass ihre Kunst bei dieser Gelegenheit einem neuen Publikum zugänglich gemacht werde. Ihre Fangemeinde wird vermutlich weiterwachsen.

"Then I knew I was good at Painting" wird bis zum 11. August in der Iziko South African National Gallery in Kapstadt gezeigt.

"Foreigners Everywhere" ist bis zum 24. November bei der 60. Biennale in Venedig zu bewundern.

Quelle: ntv.de

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