Fußball

Doch länger Bundestrainer Der DFB spendet Herz und bekommt Nagelsmann

Eine Geschichte fürs Herz: Nagelsmann und Völler.

Eine Geschichte fürs Herz: Nagelsmann und Völler.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Idee klang eigentlich nicht schlecht: Julian Nagelsmann bringt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zur Heim-EM und verlässt den DFB danach. Doch das ist Geschichte. Aus der Zweckgemeinschaft wächst etwas Größeres.

Es ist eine der großen Fragen des Lebens, sie füllt gleichermaßen Ratgeberbücher und Wandkalender. Herz, Kopf oder Bauch: Worauf soll man nur hören? Wer Rat sucht, könnte auch einfach Julian Nagelsmann fragen. Nach Wochen der Spekulation und der Gerüchte legt er sich fest: Nagelsmann bleibt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft als Bundestrainer erhalten - auch nach der Europameisterschaft im eigenen Land. Am Ende, so sagt es Nagelsmann selbst, sei es eine "Entscheidung des Herzens" gewesen - und das im kalten Fußballgeschäft. Die Frage bleibt, ob es die richtige war, sie ist nicht ganz ohne Risiko.

Denn der DFB verkündete der Welt am 22. September des vergangenen Jahres eine Zweckgemeinschaft, die für alle Beteiligten eigentlich ganz gut klang. Der 124 Jahre alte Fußballverband hatte zuvor zum ersten Mal in seiner Geschichte einen Bundestrainer von seinen Aufgaben enthoben. Hansi Flick hatte zwar versucht, die DFB-Elf mit Experimenten zu reformieren, scheiterte aber daran. Stattdessen sollte es Nagelsmann richten. Der Deal war folgender: Nagelsmann rettet die alles entscheidende Heim-EM, danach geht er wahrscheinlich zurück in den Klub-Fußball.

Der Anfang verlief holprig, aus den ersten vier Spielen gab es nur einen Sieg und spielerisch viel Enttäuschung. Wenig Euphorieentfachendes also. Es musste eine andere Lösung her. Die lieferte Nagelsmann tatsächlich auch: Er krempelte das DFB-Team komplett um. Er brach mit der alten Hierarchie, warf altgediente Spieler wie Leon Goretzka raus und überzeugte Real-Regisseur Toni Kroos vom Comeback. Zudem der wichtigste Aspekt: Mit Nagelsmann kehrte das Leistungsprinzip wieder ins DFB-Team zurück.

Das wahre Meisterstück

Die beiden Länderspiele im März, gegen Frankreich und die Niederlande, stellten seinen neuen und radikalen Plan auf die Probe. Doch acht Sekunden reichten, um zu zeigen, dass die Idee funktioniert. So lang dauerte es, bis das erste Tor gegen Frankreich gefallen war. Kroos auf Wirtz, Wirtz ins Glück. Ein Neuanfang, eine neue Hoffnung. Es ist das wahre Meisterstück von Nagelsmann. Rechtzeitig vor der so wichtigen Europameisterschaft haben er und seine neu zusammengestellte Mannschaft für Aufbruchstimmung gesorgt. Nach den zahlreichen Turnierblamagen (2018, 2022) und dem miserablen Länderspieljahr 2023 wurde nicht mehr darüber gesprochen, welches Spiel als nächstes verloren geht, sondern mit welcher Torhymne der nächste Treffer gefeiert wird.

Und rein karrieremäßig hat sich Nagelsmann damit in eine komfortable Situation gebracht, die er mit der Verlängerung aufgibt. Denn: Die Aufbruchsstimmung vor der Heim-EM ist schon jetzt sein Erfolg, den kann ihm niemand nehmen. Sollte das Team (überraschenderweise?) nun doch in der Vorrunde ausscheiden, würde ihn das wirklich beschädigen? Ohne seinen Umbruch wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit ohnehin so gekommen, könnte man argumentieren. Andererseits: Mit einem Halbfinale (oder sogar dem Titel) hätte er als großer EM-Held die Arbeit bei einem großen Klub beginnen können.

Nagelsmann hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass es noch vor dem Turnier eine Entscheidung über seine Zukunft geben sollte. Und dass es eine Anschlussbeschäftigung an die EM sein soll. Genauso wenig hat er einen Zweifel daran gelassen, wie sehr er die tägliche Trainerarbeit schätzt: die taktischen Kniffe, das Verbessern der jungen Spieler. All das ist bei dem Teilzeitjob bei der Nationalmannschaft dann doch schwieriger. Die taktischen Möglichkeiten halten sich in Grenzen, wenn man sich nur alle paar Monate für ein paar Tage sieht.

Und der FC Bayern?

Es gab nur zwei Probleme, um in einen Klub zurückzukehren. Zum einen: Welcher Topklub lässt einen Trainer erst am 14. Juli (für den EM-Finale-Fall) anfangen? Wenn ein Großteil der Vorbereitungen im Idealfall schon abgeschlossen ist? Nagelsmann hätte in einer anspruchsvollen Doppelrolle arbeiten müssen. Und zum anderen: Welcher Klub sollte es überhaupt sein? Borussia Dortmund, einst ein Gerücht, hat gerade das Champions-League-Halbfinale erreicht, dort hat Trainer Edin Terzić seinen Job wohl sicher.

Und der FC Bayern? Der Trainerfresser hat Nagelsmann erst vor anderthalb Jahren verschlugen. Nicht nur das: Berichten zufolge soll es klubintern auch Widerstand gegeben haben. Ohnehin wäre es ein Dilemma gewesen. Nagelsmann spielt mit Bayern-Spielern eine EM, um dann anschließend deren Trainer zu werden. Seine Entscheidung für den DFB ist damit auch eine deutliche gegen den Rekordmeister und dessen aktuellem Zustand.

Am Ende hat etwas anderes, laut Nagelsmann, entschieden. Klar, es waren nur zwei Länderspiele im März. Klar, es ging bei den Freundschaftsspielen eigentlich um nichts. Aber: Diese Märzspiele haben beim Bundestrainer und dem DFB etwas grundlegend verändert. Die Erleichterung war nach dem Spiel gegen die Niederlande zu fassen, Nagelsmann selbst sprach völlig verliebt von seinem Team. Aus der Zweckgemeinschaft wuchs eine echte Beziehung - trotz aller Risiken.

Es ist ein volles Bekenntnis für den DFB, der zuletzt heftigst um ihn warb und bei dem es zumindest fraglich ist, ob es einen Plan B gab. Für den Verband ist es ein Gewinn, jemanden zu behalten, der die Aufbruchsstimmung verkörpert - solange es sportlich stimmt. Gleichzeitig ist es ein finanzielles Risiko: Das nagelmannsche Gehalt wird mutmaßlich nicht gering sein. Da ist es möglicherweise nur ein Zufall, dass das DFB-Präsidium kurz nach dem Bundestrainer-Verbleib verkündete, mehrere Gebäude der alten Verbandszentrale zu veräußern.

Es ist übrigens ein Schema erkennbar. Erst vor elf Tagen verlängerte Nationalmannschaftsdirektor Rudi Völler seinen Vertrag beim DFB - ein großer Nagelsmann-Fürsprecher. Auch er war zunächst nur eine Übergangslösung. Auch er sprach von einem dann doch von einem "persönlichen Anliegen". Und, das ist neu beim DFB: Auch er sprach von seinem Herzen.

Quelle: ntv.de

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