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Mutmaßliche russische Saboteure Ein Angriff, auf den Deutschland keine Antwort hätte

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Polizeifahrzeuge bringen die mutmaßlichen Saboteure im Auftrag Russlands zum Bundesgerichtshof.

Polizeifahrzeuge bringen die mutmaßlichen Saboteure im Auftrag Russlands zum Bundesgerichtshof.

(Foto: picture alliance/dpa)

Handlanger des russischen Geheimdienstes sollen in Deutschland Anschläge geplant haben. Die Festnahme der Verdächtigen in Bayern führt vor Augen: Deutschland ist nicht akut durch die Atomwaffen des Kreml bedroht - sondern durch russischen Staatsterrorismus.

Die gute Nachricht lautet: Die deutschen Sicherheitsbehörden haben zwei mutmaßliche Russlandspione festgenommen, rechtzeitig bevor diese ihre geplanten Sabotageakte konkretisieren konnten. Die schlechte Nachricht ist: was, wenn nicht? Seit mehr als zwei Jahren beschäftigt Politik und Gesellschaft die Frage, wie eine direkte militärische Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Russland vermieden werden kann - sei es auf dem Schlachtfeld zur Verteidigung eines NATO-Landes oder nach einem direkten Angriff gegen die Bundesrepublik. Was aber passiert, wenn der Kreml seinen asymmetrischen Krieg gegen Deutschland eskaliert, ohne offen einen Krieg zu erklären? Wie kann die Bundesregierung reagieren, wenn das Land angegriffen wird, Deutschland aber allen Verbündeten zum Trotz allein da steht?

Ein von Russland orchestrierter Anschlag in Deutschland, zu dem sich das Putin-Regime nicht bekennen würde, ist die deutlich konkretere Gefahr als die verbreitete - und nicht unberechtigte - Angst vor einer russischen Atombombe. Die NATO ist Russland militärisch überlegen, erst recht seitdem Putin Männer, Kriegsgerät und Munition in der Ukraine verheizt. Es entspricht auch nicht Putins Logik, die direkte Auseinandersetzung in einem großen konventionellen Krieg zu riskieren. Ein offener Angriff gegen Deutschland oder einen anderen NATO-Staat droht daher nicht akut.

Gegen die Geschlossenheit des Westens

Es ist billiger, einfacher und weniger gefährlich für Russland, in Europa Zwietracht zu säen, Ängste zu schüren und Gewalt nur in Form von Nadelstichen auszuüben. Viele kleine Vorfälle ohne eindeutigen Urheber begründen eben keinen klassischen Bündnisfall, auf den die NATO mit einem gemeinsamen Vorgehen gegen Russland reagieren müsste. Der Westen hat sich bei der Unterstützung der Ukraine als geschlossener und robuster erwiesen, als es der nach eigener Einschätzung große Stratege im Kreml hat kommen sehen. Die Bundesrepublik nimmt mit ihrer umfangreichen militärischen und politischen Unterstützung der Ukraine eine Schlüsselrolle in diesem Bündnis ein.

Dagegen geht Russland an - mit Fake-News-Kampagnen, mit der direkten und indirekten Unterstützung von Parteien, die sich gegen das vermeintliche Establishment richten, mit Machtdemonstrationen und Einschüchterungsversuchen. Cyberangriffe, die Sabotage deutscher Infrastruktur oder die zahlreichen Drohnenüberflüge über Standorte und Übungsplätze der Bundeswehr lassen sich auf Russland zurückführen. Moskau tötet in Deutschland Menschen und versucht die deutsch-russische Community gegen ihre heutige Heimat aufzuwiegeln.

Wenn Deutschland allein dasteht

Naheliegend zudem, dass die deutschen Dienste nicht alles bekannt machen, was Russland auf deutschem Boden so tut. "Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern", sagte einmal ein Bundesinnenminister, damals über die islamistische Terrorgefahr. Die Festnahmen in Bayern zeigen: Deutschland blickt heute der Gefahr russischen Staatsterrors ins Auge. Und alles, was bleibt, ist diese Gefahr möglichst umfassend abzuwehren. Abschrecken oder vergelten könnte und wollte die Bundesregierung solche verdeckten russischen Operationen nicht.

Die Bundesrepublik verübt keine Anschläge in Russland, sie droht nicht der russischen Bevölkerung und wendet auch nicht anderweitig Gewalt gegen Russen an. Sie hat sich wirtschaftlich weitgehend entkoppelt und kaum noch ungenutzte Instrumente, Moskau etwa in Form von Sanktionen zu bestrafen. Deutschland könnte sich nicht einmal darauf verlassen, im Falle von Russland orchestrierter Aufstände Hilfe von den NATO-Partnern zu bekommen. Was sollten diese auch tun, wenn ein offener militärischer Konflikt weiter um jeden Preis vermieden werden soll? Solche Szenarien treiben auch Florence Gaub um, Forschungsdirektorin der NATO. In einem Podcast der "Zeit" sagte sie, ein Angriff, gegen den sich Deutschland allein verteidigen müsste, bereite ihr am meisten Sorge. "Weil da sind wir am meisten angreifbar." Wladimir Putin weiß das.

Quelle: ntv.de

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