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Riesenzoff um Klimaschutzgesetz Ampel droht die dritte Klatsche aus Karlsruhe

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Die Fraktionschefs der Ampel: Christian Dürr (FDP), Rolf Mützenich (SPD) und Katharina Dröge (Grüne)

Die Fraktionschefs der Ampel: Christian Dürr (FDP), Rolf Mützenich (SPD) und Katharina Dröge (Grüne)

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Ampel beschäftigt das Bundesverfassungsgericht, schon wieder. Nach einer Eilklage aus der CDU könnte die Verabschiedung des mühsam ausgehandelten Klimaschutzgesetzes am Freitag kippen. Kläger Heilmann wähnt seine Chancen groß, während die Regierungsfraktionen Mühe haben, ihr Vorgehen zu erklären.

Geschichte wiederhole sich nicht, heißt es. Die Ampel ist offenbar fest entschlossen, diese Volksweisheit zu widerlegen: Rund zehn Monate nach dem für die Regierungsfraktionen hochnotpeinlichen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, die Beratungsfristen zum Heizungsgesetz zu verlängern, droht das Gleiche nun noch einmal zu passieren. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann will die für Freitag geplante zweite und dritte Lesung des reformierten Klimaschutzgesetzes per Eilantrag stoppen. Das war ihm so schon Anfang Juli letzten Jahres mit dem Gebäudeenergiegesetz gelungen, das besser bekannt ist unter dem Namen Heizungsgesetz. Die Nachricht aus Karlsruhe, das nur unter größten Mühen geeinte Heizungsgesetz erst mit vielen Wochen Verzögerung zur Abstimmung stellen zu dürfen, hatte die Ampelfraktionen an einem heißen Sommerabend kalt erwischt - und der SPD-Spitze das schöne Fest ihrer Fraktion verhagelt.

Heilmann zeigt sich von einem abermaligen Erfolg überzeugt. "Die Verfahrensfehler halte ich für noch gravierender, als sie beim Heizungsgesetz waren", sagte Heilmann in einer Videokonferenz, während er wegen des zeitgleich verhandelten Streits um die Wahlrechtsreform ohnehin in Karlsruhe weilte. Das Gericht tue ihm leid: Parallel zu dem aufwendigen Verfahren um die Wahlrechtsänderungen der Ampel müsse es nun bis Freitagmorgen entscheiden, ob Heilmanns Eilantrag ausreichend begründet ist, um einen Stopp des Gesetzgebungsverfahrens zu verfügen. Ein Urteil in der Sache würde erst Monate später erfolgen.

"Dann brechen alle Dämme"

Sollte Heilmann auch dieses Mal Erfolg haben, wäre es für die Ampel die dritte Klatsche aus Karlsruhe binnen weniger Monate. Im Herbst hatte das Bundesverfassungsgericht die Umwidmung von Coronahilfen kassiert und damit der Bundesregierung eine schwere Haushaltskrise beschert, die mit Blick auf die kommenden Haushalte weiter schwelt. Wie schon beim Heizungsgesetz geht es Heilmann auch aktuell um den Umgang der Regierungsfraktionen mit dem Parlament: Nachdem SPD, Grüne und FDP in der Nacht zum 15. April eine Einigung über Solarpaket und Heizungsgesetz erzielt hatten, habe der Bundestag zu wenig Zeit bekommen zur Beratung des im Vergleich zur ersten Lesung an mehreren Stellen veränderten Klimaschutzgesetzes.

"Kein Antrag in einem Kleingartenverein könnte rechtmäßig in dieser Form beschlossen werden und deswegen können wir das nicht im Deutschen Bundestag so machen", sagte Heilmann. "Wenn wir das jetzt der Ampel durchgehen lassen, dann brechen alle Dämme, dann machen die das bei jedem zweiten Gesetz." Nach seiner Rechnung hatten die Oppositionsparteien gerade einmal sieben Tage Zeit, die Änderungen im Gesetz zu prüfen. Formalrechtlich sogar nur vier Tage, weil der offizielle Änderungsantrag im zuständigen Ausschuss für Klimaschutz und Energie erst am Dienstag vorgelegen habe.

Unverständnis bei Grünen und SPD

In den Reihen der Regierung kann man die Aufregung der Union nicht nachvollziehen. "Ich verstehe ehrlich gesagt nicht die Kritik daran", sagte etwa Irene Mihalic, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen. "Es gab eine Anhörung und aus dieser Anhörung sind entsprechende Änderungen entstanden, die dann ins Klimaschutzgesetz eingearbeitet wurden. Diese Änderungen liegen den Abgeordneten schon seit einigen Tagen vor." Alle Abgeordneten hätten Gelegenheit gehabt, sich damit auseinanderzusetzen. Das Vorgehen entspreche 80 Prozent aller Gesetzgebungsverfahren im Bundestag und stehe im Einklang mit dessen Geschäftsordnung.

Ähnlich Katja Mast, die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion: "Die CDU und auch der Kollege Heilmann wollen das Gesetz nicht ändern", sagte Mast und erinnerte daran, dass das Klimaschutzgesetz in der Großen Koalition von der SPD gegen CDU und CSU hatte durchgesetzt werden müssen. "Jetzt machen wir dieses Gesetz mit einem Update noch besser und noch effizienter, deswegen erstaunt es mich nicht, dass sie sich darüber aufregen."

Woher die Not zur Eile?

Ob das Gesetz aber wirklich mehr Klimaschutz bringt, ist aus Heilmanns Sicht offen. Dass das novellierte Klimaschutzgesetz - auf Druck der Grünen - nun auch konkrete Klimaschutzmaßnahmen für die Jahre 2031 bis 2040 fordert, sei keine Kleinigkeit. Zudem seien juristisch komplexe Fragen berührt, wenn sich etwa 2030 herausstellt, dass eine Klimaschutzprognose aus dem Jahr 2025 unzutreffend gewesen sei. Es gelte, alle Implikationen genau zu prüfen. Schließlich gehe es um "massive Grundrechtsfragen", die auch nachfolgende Generationen betreffen. Der Opposition hierfür nur vier Tage Zeit einzuräumen und ihr eine zweite Sachverständigenanhörung zu verweigern, sei "schlicht unzumutbar".

Bitter stößt Heilmann vor allem die fehlende Notwendigkeit zur Eile auf. Die Regierungsfraktionen haben keine Fristverkürzung beim Bundesrat beantragt. Dieser soll gar nicht noch am selben Freitag das Klimaschutzgesetz behandeln, sondern erst bei seiner folgenden Sitzung im Mai. Das Gesetz würde ohne Not, so Heilmann, "drei Wochen rumliegen".

Tatsächlich, da machen die Regierungskoalitionen keinen Hehl draus, ist das Vorgehen allein der Binnenlogik der ewig uneinigen Ampel geschuldet. Am selben Vormittag wie das Klimaschutzgesetz soll am Freitag vom Bundestag auch das Solarpaket verabschiedet werden. Dieses ist seit Wochen zwischen den Regierungsfraktionen vereinbart, wurde aber von der FDP so lange blockiert, bis die Ampel auch beim Klimaschutzgesetz einig war. Die FDP wollte so sichergehen, dass die verbindlichen jährlichen Sektorziele um eine Gesamtschau der erreichten CO2-Einsparungen ergänzt würden.

FDP könnte Klage obsolet machen

Andernfalls hätte Bundesverkehrsminister Volker Wissing zu drastischen - aus FDP-Sicht unzumutbaren - Maßnahmen im Verkehrssektor greifen müssen, der seine Einsparvorgaben deutlich verfehlt. FDP-Politiker Wissing hatte deshalb sogar mit Sonntagsfahrverboten gedroht. Dass nun künftig einzelne Ministerien ihr CO2-Budget überschreiten dürfen, wenn Gesamtdeutschland seine jährlichen Emissionsziele auch so erreicht hat, halten insbesondere viele Grüne sowie mit ihnen verbundene Umweltschutzorganisationen für einen Frevel.

Einzelne Grünen-Abgeordnete haben deshalb schon ihr Nein zum reformierten Klimaschutzgesetz angekündigt. Offenbar im Misstrauen gegen das Abstimmungsverhalten der Koalitionspartner hatte die FDP die gleichzeitige Abstimmung von Solarpaket und Klimaschutzgesetz zur Bedingung einer Einigung erhoben. Tatsächlich liegen zwischen beiden Abstimmungen aber wenige Stunden, ein Foulspiel der Grünen wäre hypothetisch denkbar, deutet sich aber nicht an.

Die FDP könnte die Koppelung beider Gesetze aufgeben und die Abstimmung des Klimaschutzgesetzes in der von den Ampelparteien vereinbarten Form um wenige Wochen verschieben. Eine erneute Blamage vor Gericht wäre damit abgewendet. Heilmann argumentiert, dass das Klimaschutzgesetz so an Rechtssicherheit gewinnen könnte. Von Opposition und Experten vorgebrachte Verbesserungsvorschläge zusätzlich einzuarbeiten, würde aber die Bereitschaft verlangen, das dem Bundestag seit August vorliegende Klimaschutzgesetz erneut zu verhandeln. Dieser Schritt erscheint der Koalition aber offenbar noch riskanter als Heilmanns Eilklage. SPD und Grüne jedenfalls sind zuversichtlich, dass Heilmann dieses Mal nicht Recht bekommt. Das waren sie aber auch schon im Juli letzten Jahres.

Quelle: ntv.de

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